Michaela Boland sprach für die GFDK mit der Berufsmuse Elke Koska. Ihr Markenzeichen: Feuerrote Wallemähne und kunstvoller Blumenhut Fotos.© GFDK
Elke Koska in ihrer Bar
Elke Koska mag es bunt
Karneval mit Elke Koska
Elke Koska mit Kuh
Elke Koska liebt New York
Elke Koska kunterbunt
Elke Koska Weihnachten
Buntes macht sie einfach glücklich. Sie ist die wohl schrillste Muse aller Zeiten, und trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten hätte eine Gala Eluard Dali rein äußerlich mit Sicherheit eher langweilig neben ihr gewirkt.
Ihr Markenzeichen: Feuerrote Wallemähne, kunstvoller Blumenhut und auffällige Kunstwimpern an den Unterlidern. Die Rede ist von Multiorganisationstalent und Berufsmuse Elke Koska.
Oftmals selbst als lebendes Kunstwerk bezeichnet hat die charmante, lebensfrohe „rechte Hand“ des legendären in Köln ansässigen Objekt- und Aktionskünstlers HA Schult (1000 Trash People) Journalistin Michaela Boland in ihre wundersam-schöne Wohnstätte geladen.
Nach Jahrzehnten der Inspiration und Organisation rund um HA Schult versucht sich die attraktive „alterslose“ Elke Koska nun auch selbst als Kunstschaffende. Schon am dritten November 2009 präsentiert sie das Ergebnis ihrer handwerklich ausgefeilten und alltagstauglichen Kreativität auf Drängen H.A. Schults in der Kölner Galerie Reitz im Rahmen einer Ausstellung. Um was es sich handelt, hat Elke Koska Michaela Boland beim Interview schon mal verraten.
Bei strahlendem Herbstsonnenschein mache ich mich auf den Weg zu Elke Koskas Heim am Ufer des Rheins. Zugegeben, die Vorstellung, dass ein Mensch unter einer Brücke leben kann, ist leider nicht mehr abwegig, aber dass man sich doch tatsächlich auch „in“ einer Brücke häuslich niederlassen kann, wirkt irgendwie abgefahren. Elke Koska hat es vermocht, sich in einem hohlen Pfeiler der Deutzer Brücke ein gemütliches Zuhause zu schaffen.
Der Umstand, dass einem tagtäglich mehrere Tausend Autos und Straßenbahnen über`s Dach rattern und die Raumdecke dabei teilweise beängstigende Geräusche von sich gibt, darf einen da wohl nicht sonderlich stören. Überwältigend: Der Anblick der unzähligen kleinen bunten Gegenstände die die fensterlose geräumige Ebene schmücken, auf der sich Koska kreative Abtrennungen für die Wohnbereiche Salon, Schlafstätte, Küche, Fernsehzimmer, Umkleide, Bad und Büro geschaffen hat. Fast möchte man sich in Las Vegas vermuten, so blinkt und glitzert es kunterbunt aus sämtlichen Ecken.
Da befindet sich nicht nur ein aufwendig dekorierter Weihnachtsbaum mit strahlender roter Lichterkette unweit hinter den mitten im Salon stehenden drei Trash-Leuten von HA Schult, sondern allenthalben hängen auch bunt geschmückte Adventartige thematisch sortierte Kränze von der Decke hernieder. Auf einem jeden: Glänzender Weihnachtsschmuck in mit Sicherheit vierstelligem Wert. Hier lebt also Elke Koska, umgeben von ihren beiden riesigen und imposanten Wachhunden Minos und Zsa Zsa.
Michaela Boland:
Was war das ausgefallenste Kompliment, das du für deine Wohnung bisher erhalten hast?
Elke Koska:
Das ist schwierig. Ich habe so viele tolle Sachen gehört, die kann ich alle gar nicht benennen.
Im Übrigen muss ich Dir ganz ehrlich sagen, ich lebe weder als Person noch mit meiner Wohnung für jemanden, sondern immer nur für mich. Ich habe nämlich schon als kleines Mädchen damit angefangen, mich zu stilisieren.
Michaela Boland:
Wie bist Du auf die Idee gekommen, in einen Brückenpfeiler zu ziehen?
Elke Koska:
Berufsbedingt habe ich ja immer viele Events und sehe viel. Ich habe dann bei der Stadt angerufen und habe mir das Ganze dann auch ausgebaut. Heizung, Wasser und Strom mussten ja her. Denn zuvor hat es hier natürlich ganz herkömmlich ausgesehen.
Michaela Boland:
Anpassung ist augenscheinlich nicht Dein Ding?
Elke Koska:
Über Sprüche wie „Man tut das“, bzw. „Was sollen die Nachbarn sagen“, habe ich mich nachweisbar schon mit sechs Jahren aufgeregt. Ich habe schon damals gesagt: „Das interessiert mich nicht.“ Was natürlich dazu führte, dass du unheimlich stark sein musstest als Kind. So habe ich quasi jeden Tag aufs Neue für mich gekämpft. Ich stand insofern schon damals vor der Frage, soll ich mich anpassen, um leichter zu leben oder soll ich so leben, wie ich leben will, selbst mit dem Stress, dass ich mich jeden Tag beweisen muss. Aber ich habe mich nun mal dafür entschieden, genau so zu leben, wie ich es will.
Michaela Boland:
Würdest du sagen, dass Du ein durch und durch glücklicher Mensch bist?
Elke Koska:
Ich bin total glücklich und zufrieden. Ich kann wirklich von mir behaupten, dass ich zu den Menschen gehöre, die jeden Morgen aufstehen, den Tag anlächeln und sagen: „Wow, heute wird wieder ein schöner Tag“, und dann wird er auch immer schön. Ich hatte auch noch nie einen unschönen Tag und ich war auch noch nie im Leben deprimiert oder schlecht gelaunt.
Michaela Boland:
Noch nie einen unschönen Tag? Dann gehörst Du wahrscheinlich zu einer Species, die heutzutage leider vom Aussterben bedroht scheint?
Elke Koska:
Ja, aber das Geheimnis von Glück ist doch Zufriedenheit und die Leute sind nie zufrieden. Die jammern immer. Haben sie das Auto, wollen sie ein anderes, haben sie die Wohnung, wollen sie wieder eine andere. Ich bin nicht super religiös, aber ich glaube natürlich an Gott und neulich habe ich beim Gassi gehen daran gedacht, der arme liebe Gott hat nun alle Menschen geschaffen und die klagen von morgens bis abends und jammern und alles ist falsch. Der arme liebe Gott hat überhaupt kein Erfolgserlebnis also habe ich zu ihm gesagt: „Nein, Du hast es richtig gemacht, denn ich lebe gerne, ich finde das Leben schön.“
Michaela Boland:
Du stammst aus einer eher konservativen Familie in Dortmund. Wie war das Verhältnis?
Elke Koska:
Meine Eltern litten natürlich unter mir als Individuum. Sie sagten immer: „Meine Güte, die Nachbarn gucken.“ Mein Bruder ist demgegenüber „völlig normal“. Mir war und ist völlig egal, was irgendjemand von mir denkt. Ich lebe ja nicht für die Leute. Auch war ich, ähnlich wie viele „wichtige“ Frauen, z.B. Alice Schwarzer und Elke Heidenreich, auf einer Nonnenschule. Ich war bei den Florentinerinnen.
Nach drei Jahren habe ich am Gymnasium aufgegeben und bin auf ein weltliches Gymnasium gegangen, weil es natürlich schwer war, jeden Tag zu kämpfen, wenn ich mir beispielsweise morgens Herzchen in den Pullover schnitt und es bei den Nonnen Aufruhr gab. Ich war nicht geeignet dafür. Die Erlebnisse in der Nonnenschule führten im Übrigen auch dazu, dass ich seither nicht mehr in die Kirche gehe.
Mit der Institution kann ich nichts mehr anfangen. Ich glaube an Gott und spreche mit Gott, aber ich denke, (lacht) jeder, der mal auf einer Nonnenschule war, wird hinterher nicht mehr in die Kirche gehen. Somit war natürlich das Verhältnis zu meinen Eltern bis zum Schluss letztlich nicht einfach, weil sie sich gerne angepasst haben.
Michaela Boland:
Konformität als Feindbild?
Elke Koska:
Die typische Schrankwand oder Menschen, von denen ich immer sage, die leben beige, die ziehen sich beige an, die denken beige, die sprechen beige, sind für mich Feindbilder. Das sind leider sehr viele. Das ist auch o.k., aber ich muss nicht mit ihnen kommunizieren. Ich respektiere natürlich diese Menschen, wenn es wirklich ihre Entscheidung war, so zu leben und es nicht nur darum geht, angepasst zu sein.
Michaela Boland:
Wie kam es zu Deiner Sammlerleidenschaft?
Elke Koska:
Weil ich eine barocke Persönlichkeit bin, sammle ich gerne. Ich gehöre zu den Menschen, die, was sie mögen, immer um sich haben. Ich habe eine Sammlung von Weihnachtsschmuck, den ich aber auch das ganze Jahr habe, weil ich ihn ja mag. Ich sehe nicht ein, dass man nur Weihnachten diesen Schmuck hat. Ich bin ein sehr logistischer, disziplinierter Mensch. Ich habe nie Chaos und bin immer in Harmonie ausgewogen, bei allem, was ich tue.
Seit Neuestem habe ich jetzt auch mit einer Ess-Sammlung aus Fakefood begonnen. Im Schlafzimmer habe ich eine sehr schöne Herzchensammlung. Aber die teuerste ist natürlich meine Teekannen- und Tassen-Sammlung. (Anm. der Red.: Mehrere Tausend aus aller Welt) Mein Sternzeichen ist Stier, da bin ich übrigens der klassische Vertreter: häuslich, kocht gerne, sinnlich, zuverlässig, guter Freund usw., und einem Stier ist sein Heim sehr wichtig, das ist die Sicherheit gebende Basis. Ich brauche mein Zuhause.
Michaela Boland:
Mit HA Schult hast Du schon auf sämtlichen Kontinenten gelebt, bist 24 Mal umgezogen. Ist Dein stetes Zuhause hier jetzt der Ausgleich dafür?
Elke Koska:
Der Schult ist ein Krebs und war immer getrieben. Wir haben überall in der Welt gelebt. Da ich ja Muse bin, hat der Schult immer kreativ irgendwo gearbeitet, ich habe Tausende von Dingen und Seefrachtcontainer gepackt und erst wenn die neue Wohnung irgendwo auf der Welt fertig war, dann kam der Schult rein. Und genauso ging es dann auch zurück.
Schult braucht immer das Getriebene, während ich denke, das Paradies ist in einem selbst und nicht irgendwo auf der Welt, denn egal, wo Du hingehst, wenn Du es nicht in dir hast, wirst Du es auch nicht finden. Aber der Schult als Künstler braucht das Chaos und die Unzufriedenheit.
Michaela Boland:
Hat das Zusammenleben bei derart unterschiedlichen Lebensauffassungen denn gut geklappt, immerhin warst Du ja auch 25 Jahre mit HA Schult verheiratet?
Elke Koska:
Ja, super. Ich habe ihn in Watte verpackt. Ich als Muse habe ihm die Möglichkeit gegeben, kreativ zu sein. Wobei Musen ja immer schon starke Frauen waren. Es gibt heute kaum welche, aber diejenigen, die es gab, Alma Maler-Werfel oder Gala von Salvador Dali, die haben ja ihren Künstlern das Leben immer organisiert und die Ausstellungen herangeschafft. Heute geht es natürlich einen Schritt weiter: Du machst das Management, das Sponsoring, was ja immens ist.
Michaela Boland:
Was kommt bei der Organisation eines Kunstprojektes denn alles auf Dich als Muse zu?
Elke Koska:
Wir haben ja einmal dieses globale Projekt, wo wir 1000 Müllmenschen/ Trash People haben, die um die ganze Welt gehen. Und die stehen immer an allen wichtigen kulturellen, politischen oder historischen Stätten. Und das ist natürlich sehr schwierig. Also wenn Du auf den „Roten Platz“ nach Russland willst, dann musst Du zwei Jahre an so einer Genehmigung arbeiten und nicht jeder bekommt sie, aber ich kriege sie natürlich. Ich habe Russisch gelernt, ich spreche Chinesisch, Italienisch, Französisch und Englisch sowie zwei afrikanische Sprachen.
Michaela Boland:
Und das hast du alles eigens für die Projekte mit HA Schult erlernt?
Elke Koska:
Ja, man muss einen Sinn haben. Man muss einen Sinn haben, etwas zu lernen und ich lerne gerne. Ich lerne immer irgendetwas. Augenblicklich lerne ich Portugiesisch. Und vor zwei Jahren habe ich mir eine Nähmaschine gekauft, obwohl ich meine Kleider immer schon eigenständig, jedoch mit der Hand genäht habe, habe ich dann einen Nähkurs gemacht, damit ich auch dies beherrsche.
Michaela Boland:
Eigentlich hattest du ja mal vor, Schauspielerin zu werden. Du hast in München die Schauspielschule besucht und mit Rainer Werner Fassbinder Anti-Theater gespielt. In der Filmproduktion „Lenz“ hast Du auch bereits mitgewirkt, doch eines Tages sollst Du in ein Münchener Taxi gestiegen sein, an dessen Steuer der junge und noch unbekannte HA Schult gesessen hat. Fast über Nacht warfst Du alle eigenen Pläne über Bord und warst fortan Muse. Was genau geschah in jenen Momenten im Taxi Anfang der 70er Jahre?
Elke Koska:
Der Schult stieg ein und konnte ja damals nicht von seiner Kunst leben, musste als Taxifahrer jobben und erzählte, dass er Müll auf die Straße werfen wird für Kunst und dass er Bakterien in Bilder machen wird. Und das fand ich so faszinierend, dass ich in dem Moment beschlossen habe, dass dies viel wichtiger ist als wenn ich einmal von rechts nach links gehe oder von irgendeinem Regisseur eingesetzt werde. Und dass das genau das ist, was sinnvoll ist, zu unterstützen, weil es auch Einfluss auf unsere Gesellschaft hat, Stichwort ökologische Projekte. Und von der Sekunde an haben wir ja auch zusammen gelebt.
Michaela Boland:
Und was war dann mit deiner eigenen Vision?
Elke Koska:
Ich bin ja auch weiterhin kreativ geblieben und das, was Schult sagt, was letztendlich nun auch zu meiner ersten eigenen Ausstellung führt, ist, ich habe das Theater quasi auf die Straße getragen, indem ich mich immer inszeniere. Ich inszeniere alles, darum mache ich auch alles so gerne.
Wenn ich den Müll herunter bringe oder meine Wohnung putze, dann ziehe ich z.B. ein afrikanisches Kleid an, mache afrikanische Musik und inszeniere mir das so, dass mir das Putzen Freude macht. Oder, wenn ich am PC Texte tippe, dann ziehe ich mich dementsprechend an, lege entsprechende Musik auf. Ich inszeniere mir meinen Alltag so, dass er mir jede Minute desselben wie ein Theaterstück Freude macht.
Michaela Boland:
Das heißt, Du bist in jedem Moment Deines Lebens ähnlich gestylt wie jetzt?
Elke Koska:
Ich würde jedenfalls niemals mit einer Jeans oder einem T-Shirt bekleidet sein, habe so etwas auch nie besessen. Du kannst Tag und Nacht kommen, ich bin immer, jedenfalls für meine Verhältnisse, perfekt, auch geschminkt. Ich schminke mich ja abends noch mal neu. Ich sehe nachts genauso wie tagsüber aus. Natürlich nicht mit Hut, aber mit geschminkten Augen und auch“ lecker“ mit Parfum.
Michaela Boland: ...und deine Haut?
Elke Koska:
Ich habe fast nichts direkt auf der Haut, nur ein wenig Feuchtigkeitscreme und etwas Puder und natürlich die Augen geschminkt. Ich finde es eigentlich abartig, wenn man nicht auf sich achtet. Kein Wunder dass viele Ehen so schlecht gehen, weil die Leute abends wirklich so ungepflegt nebeneinander ins Bett gehen, womöglich noch ihre Zähne rechts und links hinlegen. Ich möchte schön und attraktiv ins Bett gehen. Wie willst Du schließlich ein attraktives Liebesleben haben, wenn Du scheußlich in einem scheußlichen Schlafzimmer schlafen gehst?
Michaela Boland:
Apropos Liebesleben, Du warst mehrmals verheiratet?
Elke Koska:
Also mit Schult war ich ja endlos verheiratet, mein halbes Leben. Seitdem war ich dann noch zweimal verheiratet. Man muss ja im Leben Entscheidungen treffen. Den ersten Teil meines Lebens habe ich monogam verbracht, weil Schult war ja mein Lebensinhalt, logisch. Die Liebe hat sich jedoch irgendwann aufgebraucht, weil wir einfach so viel zusammen gearbeitet haben und dann vergisst du die Liebe. Aber alle anderen Ebenen zwischen Schult und mir sind ja noch vorhanden. So dass wir nach wie vor alles machen.
Eine Muse muss nicht unbedingt auch der Partner eines Künstlers sein. Die Muse ist ja die Göttin der Kunst in letzter Konsequenz. Ich respektiere ihn, ich finde, er ist ein wichtiger Künstler. Und dann habe ich mir gedacht, o.k., jetzt lebe ich wild, nachdem ich eine Hälfte meines Lebens total monogam gelebt habe, lebe ich jetzt total wild. Mit ganz vielen Affären und zwei Ehen, abenteuerlichen Hochzeiten in Afrika und allem drum und dran..
Michaela Boland:
Welche erscheint dir die bessere Lebensform?
Elke Koska:
Ich würde jeden Tag meines Lebens wiederholen, sowohl mit Schult als auch mein augenblickliches Leben. Ich denke, man muss nicht sein ganzes Leben gleich leben, denn das Leben ist spannend.
Michaela Boland:
Für Deine „Lebensaufgabe“ HA Schult bist Du lange Zeit nicht nur Ehefrau gewesen, sondern hast als Muse die Aufgabe der treibenden und organisierenden Kraft als Sekretärin, Dolmetscherin, Presseagentin, technischer Leiterin, Diplomatin, Gesellschafterin und Köchin in einer Person übernommen. Kritische Stimmen behaupten, dass dies eigentlich eine klassisch tragische Frauenrolle ist.
Elke Koska:
Das ist völliger Unsinn, Eine Muse ist eine starke Frau. Sich zurückzunehmen ist ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche. Schult und ich funktionieren ja nur, weil wir zwei absolut gleich starke Personen sind. Wir haben beide unsere Stärken, die sich in der Kunst wunderbar ergänzen. Daher auch dieses Gleichgewicht. Ich bin der einzige Mensch, der Schult kritisieren kann und von dem Schult die Meinung akzeptieren würde, wirklich der einzige Mensch. Und es gibt, glaube ich, niemanden, der sein Oeuvre so gut kennt.
Michaela Boland:
Du selbst hast einmal gesagt, dass Schult Menschen sehr schnell verschleiße.
Elke Koska:
Schult verschleißt alle Menschen um sich herum. Ich konnte das total ab. Schult ist natürlich ein egomanischer Künstler, wie alle. Picasso hat ja auf allen herumgetreten. Nur das ist genau der Punkt. Ich bin die einzige, auf deren Seele er nicht herum trampeln konnte, weil ich so gefestigt bin und kreative Prozesse richtig einschätzen kann.
Ich habe nie darunter gelitten. Jedoch ist es für die Umgebung sehr schwierig, mit Schult auszukommen. Aber er macht auch gute Sachen. Immerhin hat er bereits Mitte der 60-er Jahre schon das Thema Umwelt zum Thema seiner Kunst genommen. Jeder Künstler nimmt sich ja ein Thema, die altmodischen Künstler hatten Dinge wie Farbe und Form und haben sich dann ihr Leben lang damit beschäftigt. Es ist alles gemalt, das kann man nicht mehr machen, da es bessere Lösungen als die bereits existierenden, nicht gibt.
Wir sind der Meinung, dass Kunst den Zeitgeist visualisiert oder Strömungen, Visionen einer Gesellschaft aufzeigt. Schult hat als Thema das ökologische Ungleichgewicht unserer Welt, was bis dahin wirklich kein Künstler zum Thema seiner Kunst gemacht hat. Und dadurch halte ich Schult auch für einen wichtigen Künstler. Schult ist sich einfach selbst im Wege, in seiner Anerkennung als Visionär, weil er eben oft schwierig ist. Aber, wenn Schult tot ist, wird er in der Kunstgeschichte einfach einen richtig tollen Stellenwert haben.
Michaela Boland:
HA Schult hat dir eine ganze Menge zu verdanken. Wie wichtig war ihm Deiner Meinung nach die Liebe zu dir?
Elke Koska:
Schult war die sogenannte normale Liebe, wie er meinte, viel zu profan als dass sie allzu wichtig für ihn gewesen wäre. Er sagte, das sei „Frauenzeitungsgewäsch“ und das könnten alle Menschen haben. Als Künstler liebte er die Kunst und die Kunstgeschichte und das ist natürlich etwas viel Wichtigeres.
Nachdem unsere Liebe erloschen war, war es für mich nicht so schwierig, wie womöglich für eine Frau, die feststellt: „Oh, die Liebe ist vorbei, Scheidung, nichts mehr übrig geblieben, Krieg“, weil es für uns ja nur ein kleiner Bereich von vielen war, der plötzlich wegfiel. Wir haben darüber gesprochen und uns auch nie gestritten über irgendetwas, sondern das war einfach eine Feststellung, die wir getroffen haben. Für mich war das damals o.k. und doch suche ich jetzt natürlich ganz klar immer nur diese „naive“ Liebe.
Michaela Boland:
Inwieweit hat das Musen-Dasein auch als künstlerische Inspiration für den Objekt- und Aktionskünstler gedient? Nimmt man automatisch Einfluss?
Elke Koska:
Ich versuche, sehr intensiv darüber nachzudenken, was ich sage. Ich bin jemand, der sagt, der Spatz in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach. Bei Schult ist es genau umgekehrt. Wenn Schult eine Idee hat, und ich sehe bei der Realisierung, so wie er sich das vorstellt, ist es nicht machbar, dann versuche ich natürlich, das mit ihm zu diskutieren.
Wenngleich wir uns auch privat nie gestritten haben, so haben wir es in künstlerischer Hinsicht doch vehement getan. Privat haben wir uns auch deshalb nicht gestritten, weil ich mich über so einen „Kleckerkram“, über den sich normale Paare streiten, ja grundsätzlich nicht streiten würde.
Da ich den Alltag ohnehin stets komplett und hundertprozentig alleine abgedeckt habe, gab es für Schult ja auch keinen klassischen Alltag. Er konnte sich total auf seine Kreativität konzentrieren. Ich würde ihm nie gesagt haben: „ Koch Dir doch deinen Kaffee oder irgend so etwas oder bring den Teller in die Küche“, nein, um Gottes Willen, unvorstellbar.
Michaela Boland:
Welche Eigenschaften sollte eine „gute Muse“ mitbringen?
Elke Koska:
Das ist natürlich eine Erfahrungssache. Eine meiner Stärken ist es, das ich bei Ämtern grundsätzlich motivieren kann. Beispielsweise die Weltkugel, ursprünglich auf der Severinsbrücke. Um die da hoch zu bringen, musst du die Straßen sperren lassen, die Schifffahrt sperren lassen, das Ordnungsamt fragen, das Luftfahrtsamt in Düsseldorf wegen der Lufthoheit fragen. Du musst ca. bei 20 Ämtern vorstellig werden und alle müssen Dir ja eine Genehmigung erteilen.
Und alle haben ja eigentlich kein Interesse daran, das zu genehmigen, weil es ja eventuell ein Risiko bedeuten kann. So etwas haben sie noch nie genehmigt. Das bedeutet, jeder einzelne, der da irgendwo sitzt, muss über seinen Schatten springen. In bestimmten Ländern sind sie korrupt, da musst du ihnen Geld geben. In Deutschland ist man nicht korrupt, was ich sehr schön finde, da musst du die Leute motivieren.
Ich versuche insofern, die Menschen in jedem Amt dahingehend zu motivieren, dass sie sagen: „Jetzt sind wir zum ersten Mal Teil von etwas Besonderem.“ Dann engagieren sie sich, weil sie mitmachen möchten und gehen das Risiko ein, auch wenn sie ein solches zuvor noch niemals eingegangen sind. Das ist ein ganz wichtiger Bereich bei mir und auch der Grund dafür, warum ich Russisch lerne, wenn wir in Russland sind oder Chinesisch in China, damit ich mit den Leuten kommunizieren kann.
Michaela Boland:
Heißt es nicht, dass in Russland Geschäftsabschlüsse häufig feucht fröhlich zu begießen sind?
Elke Koska:
Richtig, in Russland hinterlasse ich auch immer eine Spur des Todes. Ich vernichte immer alle Pflanzen, wenn ich bei jedem „Nastrowje“ den Wodka hinter mich in den nächst besten Blumenkübel schütte, da ich keinen Alkohol trinke.
Michaela Boland:
Wer so viel herumkommt, trifft bestimmt auch viele interessante Menschen. Gab es ein einzigartiges Erlebnis?
Elke Koska:
Für ein Projekt, das wir 1994 in St. Petersburg durchgeführt haben, „Der Krieg“, bei dem es darum ging, zwei riesige Panzer, den einen Panzer mit weißem Marmor, den anderen mit schwarzem Marmor zu versehen, beide Rücken an Rücken auf dem berühmten Schlossplatz in St. Peterburg stehend und zwischen ihnen in zehn Meter hohen, aus unzähligen kleinen Lichtern bestehende Buchstaben, die Worte „Der Krieg“ geschrieben, spannend, während zu einem bestimmten Zeitpunkt durch konträre Fahrtrichtungen „der Krieg“ zerrissen werden sollte, das Ganze wurde live sowohl auf dem Time Square in New York“ als auch in Berlin übertragen, haben wir den damaligen russischen Bürgermeister Sobtschak in St. Petersburg kontaktiert.
Dieser hatte einen zweiten Mann, der die Verhandlungen mit mir führte. Von diesem erhielt ich letztendlich auch die Genehmigung. Und dieser zweite Mann, war damals Putin. Zu dieser Zeit natürlich noch nicht Staatschef. Ich weiß noch als ich damals zurückgekommen bin, da habe ich erzählt: „Ich habe einen Mann getroffen, der hatte die kältesten Augen, die ich je sah“, und das war er.
Michaela Boland:
Ist der Ablauf eines Projekts immer reibungslos?
Elke Koska:
Ich halte auch Kontakt zu allen, mit denen ich gearbeitet habe. Da ich mit allen immer gut gearbeitet habe und auch alles, was ich versprochen habe, eingehalten und hinterher alles wieder gut aufgeräumt habe und auch mit den Sponsoren, die wir immer sehr ordentlich abrechnete haben, besitze ich eben auch eine Glaubwürdigkeit. Jetzt ist es natürlich viel einfacher als am Anfang, da uns keiner kannte. In Ländern, wo du noch nie warst, da musst du das natürlich alles erst neu aufbauen.
Michaela Boland:
Wie verlief die Arbeit in China? Die Trash People standen ja auch an der Chinesischen Mauer?
Elke Koska:
Es hat zwei Jahre gedauert bis wir die Genehmigung erhalten haben. Ich habe dann auch extra Chinesisch gelernt, weil ich selbst kommunizieren wollte. Es war unheimlich schwierig, denn die Chinesen zu motivieren, eine Genehmigung zu geben, ist das Schwierigste auf der Welt, weil jeder Angst hat, eine Entscheidung zu treffen, denn er kann ins Gefängnis kommen oder getötet werden.
Und ein Chinese ist nicht gewohnt, eine Entscheidung zu treffen, weil es ja immer weitergeschoben wird. Zwei Jahre lang erhielt ich E-Mail über E-Mail, in welchen immer neue Fragen von chinesischer Seite auftauchten, die aber völlig unwichtig für das Projekt waren.
So zum Beispiel: Welche Farbe werden die Handschuhe haben, mit welchem Fuß, wird der Vorarbeiter zuerst auftreten, mit dem linken oder dem rechten? Tausende solcher Fragen, weil man das Gefühl hatte, dann kann nichts schief gehen, wir wissen alles. Nach zwei Jahren fielen ihnen dann keine Fragen mehr ein. Ich hatte sie alle beantwortet und zurückgeschickt. Dann kam die Genehmigung.
Michaela Boland:
Könntest du dir vorstellen, auch für andere Künstler zu arbeiten?
Elke Koska:
Nein, ich habe mich entschieden. Ich habe häufig derartige Anfragen, aber das mache ich nicht. Das ist eine Entscheidung und ich finde Schults Kunst auch richtig und gut und dazu stehe ich. Ich würde das ganze ja irgendwo abwerten, wenn ich zu jemand anderem ginge und das tue ich ihm auch nicht an.
Michaela Boland:
Was hat es mit deinem eigenen neuen Kunstprojekt auf sich?
Elke Koska:
Ich habe eigentlich genug Selbstbewusstsein, um das nicht zu tun, aber der Schult wollte es unbedingt, um mir eine Freude zu machen. Ich habe über 60 Mäntel hergestellt, ursprünglich nur für mich selbst, z.B. chinesische oder afrikanische Mäntel, die jetzt natürlich nicht, wie man es aus einer Boutique kennt, am Bügel aufgehangen werden, sondern in einem Rahmen, der das Thema aufgreift, inszeniert werden.
Alle Mäntel wurden selbst genäht oder selbst beklebt und die werden in der Galerie ausgestellt, weil Schult meint, dass es sich um Alltagskunst handelt. Er sagt ja, dass ich mein Leben lang die Kunst in den Alltag hinausgetragen habe und darum zeigen wir das jetzt auch.
Die Idee ist quasi, Kunst die an der Wand hängt, die du aber anziehen kannst und mit der du herumlaufen kannst. Am 03.11.2009 in der Galerie Reitz, St. Apern Str.42 – 46 in Köln findet sodann die Vernissage „Wall and Street clothes“ unter dem Motto „Kunst von der Wand auf die Straße“ ab 19.30 Uhr statt. Aus Alltagsgegenständen werden richtige Bilder gemacht.
Michaela Boland:
Welche weiteren Projekte stehen auf dem Programm?
Elke Koska:
Als nächstes sollen die Trash People in die Antarktis reisen, hierfür gibt es aber nur ein enges zeitliches Fenster, weil das Eis nur für wenige Wochen passierbar ist. Das heißt derzeit arbeiten wir fieberhaft daran, einen guten Plan für die Anreise der Müllmenschen zu entwerfen.
Michaela Boland:
Was liest Du?
Elke Koska:
Ich habe früher unheimlich viel gelesen. Als Kind, weil ich ein Außenseiter war und nicht draußen spielte, später mit Schult viele Kunstbücher, dann habe ich ja immer viel gelernt oder über die entsprechenden Länder gelesen und jetzt habe ich beschlossen, nicht zu lesen. Insbesondere keine Tageszeitung, weil ich mir den Kopf nicht mit unnötigem Ballast verstopfen möchte. Ich lasse nur Dinge, die für mich wichtig sind, in meinen Kopf hinein.
Michaela Boland:
Schaust du auch kein Fernsehen?
Elke Koska:
Doch, wenn ich viel gearbeitet habe, entspanne ich auch, aber dann habe ich so meine Prioritäten. Ich liebe auch wie alle Menschen Klatsch und Tratsch. Wir wissen ja auch, dass eine Gesellschaft nur damit funktioniert. Ich war z.B. ein Fan von Sex & The City, ich sehe jetzt auch Desperate Housewives und anschließend Lipstickjungle.
Was mich krank macht, ist Dummheit, also schlechte Dialoge oder diese asozialen Castingshows oder asoziale Dokus, in denen furchtbar asoziale grauenvolle Menschen ihr nicht funktionierendes Familienleben zeigen. Das kann ich nicht sehen, das muss nicht sein.
Michaela Boland:
Wie sieht es mit Soaps aus?
Elke Koska:
Nein, noch nie. Ich habe noch nie eine Soap opera gesehen.
Michaela Boland:
Doch dabei hattest du bereits einen Soapstar hier bei dir zu Hause zum Essen zu Gast als du im vergangenen Jahr am perfekten Promidinner teilgenommen und die „lächerliche“ Kochkonkurrenz abgezogen und gewonnen hast. (Anm.d. Red.: Koska kochte in der Vox-Produktion “Das perfekte Promidinner” vom 09.11.2008 im Wettstreit um 5000,- Euro für einen guten Zweck gegen Moderator Ralf Kühler, Rennradsportler Marcel Wüst und Soapdarsteller Kai Noll).
Elke Koska:
Ja und ich kannte ihn nicht. Das zeigt mal wieder, wie relativ Prominenz ist. Wenn ich mit dem über die Straße gehen würde, da der 1895-mal in irgendeiner Soap, die ich bis heute nicht kenne, gespielt hat, würden ihn alle kennen. Ich habe diese Soap nie gesehen, ich habe ihn auch hinterher nie gesehen.
Also ich kannte ihn nicht. Und das ist ja auch die Geschichte. Wenn du dich darüber definierst, ob du schön bist oder jung bist oder berühmt oder reich bist, wird es immer jemanden geben, der schöner, reicher, berühmter oder jünger ist als du. Das ist ja völliger Unsinn. Man hat seine Persönlichkeit und das ist es.
Michaela Boland:
Bitte beschreibe dich selbst ohne die Begriffe Muse, HA Schult, Künstler, Organisatorin, Managerin und Ex-Ehefrau.
Elke Koska:
Ich bin ein glücklicher Mensch, der ein individuelles Leben lebt.
Michaela Boland:
Liebe Elke Koska, vielen Dank für dieses Interview und alles Gute für die erste eigene Ausstellung.
Elke Koska wurde als Muse an der Seite des am 24. Juni 1939 in Parchim geborenen deutschen Künstlers Hans-Jürgen Schult (HA Schult) bekannt. Ihr Alter hält die aus Dortmund stammende, für ihre Extravaganz bekannte Kunstmanagerin seit Jahren konsequent geheim. Anfang der 70er Jahre lernte die ehemalige Schauspielschülerin den damals noch wenig bekannten Schult als 16-jährige kennen und lieben.
Insgesamt 25 Jahre waren Koska und Schult dann auch ein Ehepaar. Nach Scheitern der Ehe heiratete Elke Koska noch zweimal jeweils afrikanische Staatsbürger. Koska hat einen Bruder. Bis heute managt und betreut sie H.A. Schult weiterhin bei all seinen Kunstprojekten. In 2009 stellt Koska erstmalig eigene Kunst aus.
Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Für den Westdeutschen Rundfunk stand sie nach dem Jura-Studium seit 1996 als jüngste deutsche Fernsehmoderatorin eines Unterhaltungsformates für die sonntagnachmittägliche Sommer-Familientalkshow „Hollymünd“ vor der Kamera.
In der ARD präsentierte sie, neben ihrer Tätigkeit als Redakteurin der creatv-Fernsehproduktions GmbH für die Daily-Talk-Formate „HANS MEISER“ und „OLIVER GEISSEN“, auch die interaktive Vorabend-Liveshow „ARD-Studio Eins“ als Moderatorin. Als „Guten-Abend-RTL“-Redakteurin und Reporterin berichtete Michaela über spannende Themen aus ganz NRW.
Für den Mobilfunk-Softwareanbieter Bob-Mobile betreute Michaela Boland beim Sender Viva plus das tägliche Call-TV-Format „Call 4 Cash“ als Redakteurin und Producerin. Auf 3-Sat fungierte sie außerdem als Gastgeberin der jährlich ausgestrahlten Kulturtalkshow „Doppelkopf“. Für TV NRW moderierte Boland darüber hinaus jeden Freitagabend zur Primetime die erste Casino-Show im Deutschen Fernsehen, „Casinolife“. Zusätzlich arbeitet Boland auch als Synchronsprecherin.
Freunde der Künste,
das Sprachrohr der Kreativwirtschaft