Rainer Kahni schreibt uns zu dem EU-Wahlergebnis aus Frankreich - Der von mir sehr verehrte Sir Winston Churchill hat einmal gesagt: „Niederlagen kann ein Volk verzeihen, Demütigungen aber nie.“ Als im Jahre 1871 der Preussische König im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert wurde, da war das eine Demütigung der Franzosen ohnegleichen.
Als Deutschland im Jahre 1914 Frankreich angegriffen hat und ein Blutbad auf den Schlachtfeldern der Somme, der Marne und in Verdun angerichtet hat, war das eine militärische Niederlage, die man dummerweise nie verziehen hat, denn die erzwungenen Knebelungsverträge der Versailler Verträge mussten zu einem Aufblühen des Faschismus in Deutschland und zu einer Demütigung ohnegleichen im Jahre 1940 führen, als das Deutsche Reich über Frankreich herfiel.
Der in den 20 ger und 30 ger Jahren des letzten Jahrhunderts grasierende Antisemitismus in Frankreich bereitete den Nährboden für eine demütigende Politik des vorrauseilenden Gehorsams durch das Vichy – Regime und seiner Knechte. Charles de Gaulle gab Frankreich durch seinen Aufruf zum Widerstand gegen die Nazis seinen Stolz und seine Ehre zurück!
Aber es war auch Charles de Gaulle, der aus den Erfahrungen dieser beiden Weltkriege seine Lehren gezogen hatte und Deutschland in den Elyséeverträgen die Hand zur Freundschaft reichte. Charles de Gaulle gründete die V. Republik mit einer auf ihn zugeschnittenen Verfassung, hatte dabei aber ausser Acht gelassen, dass er eine Ausnahmeerscheinung war, die es in jedem Jahrhundert eben nur einmal geben konnte.
Seine Nachfolger, wie der etwas bourgoise George Pompidou, der aristokratische Intellektuelle Giscard d‘ Estaing, der durchtriebene François Mitterand und der herrische Jacques Chirac, konnten schon diesem grossen Vorbild nicht mehr gerecht werden. Doch was danach kam, der kleinwüchsige Angeber Nicolas Sarkozy und vorallendingen der Spiesser François Hollande führten La Grande Nation in den wirtschaftlichen Ruin und beschädigten das Ansehen Frankreichs durch ihre Tricksereien und durch ihr politisches Unvermögen.
Das alles hätten die Franzosen noch ertragen, aber die ewigen Kniefälle vor dem bürokratischen Monstrum der EU – Verwaltung in Brüssel und das demonstrativ unwürdige Gehundel vor einer scheinbar übermächtigen Domina aus Berlin brachten nun das Fass zum überlaufen.
Die Franzosen haben qua Gesetz die Guillottine im Jahre 1981 abgeschafft, dafür aber als Ersatz nun den Stimmzettel bei Wahlen für sich entdeckt. Am Sonntag haben die Franzosen die etablierten Parteien bei den Europa – Wahlen guillotiniert und einer Partei aus lauter Frust über ihre Politiker eine komfortable Mehrheit von 25 % gegeben, mit der sie von ihrem Empfinden her wenig gemein haben.
Der Front National ist ursprünglich aus der Entlassung der Kolonien in die Unabhängigkeit entstanden. Viele an ihre Privilegien gewöhnten französischen Kolonialbeamten, die nun plötzlich vor dem NICHTS standen und als Flüchtlinge in ihrer Heimat Frankreich höhnisch als Pieds noir verspottet wurden, scharten sich hinter einem ehemaligen Fallschirmjäger – Rabauken mit dem Namen Jean-Marie Le Pen.
Dieser Mann hatte nur wenige Themen, aber er bediente die verletzten Gefühle der Pieds noir mit einem unbändigen Hass auf alles fremdländische, mit einem schamlosen Antisemitismus und einem Traum der Wiederherstellung der Gloire Frankreichs. Das kam bei allen Wahlen bei etwa 10 – 15 % des französischen Bodensatzes an.
Damit kann man aber bei den aufgeklärten Franzosen auf Dauer keinen Blumentopf gewinnen, das erkannte die Tochter des Dämagogen, die Advocatin Marine Le Pen, sehr schnell und kaschierte die Hasstiraden ihres Vaters mit einer grossen sozialen Komponente. Sie ging mit neuen Parolen in die armen Regionen Frankreichs, dort wo Arbeitslosigkeit, Not, Leid, Hoffnungslosigkeit und Elend regieren und schob das Unglück auf die EU - Bürokraten in Brüssel.
Das verfing, denn Brüssel hat es ihr leicht gemacht mit seiner demokratisch nicht legitimierten Verwaltung, mit seiner Heimlichtuerei in den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA, mit seiner grössenwahnsinnigen Aussenpolitik und mit seiner unkontrollierten Erweiterung der EU.
Die Skandal – geschüttelte Partei des Nicolas Sarkozy (UMP) wurde mit 20 % abgestraft, die Sozialisten (PS) bekamen ihre Quittung für ihr jämmerliches Versagen mit gerade mal 13 % der Stimmen. Die erfolgreichste Partei stand aber gar nicht auf dem Stimmzettel zur Europa – Wahl:
Die Nichtwähler erhielten 57 % der Stimmen. Zählt man also rein rechnerisch die FN und die Nichtwähler als Europa – Gegner zusammen, dann haben die Franzosen sich mit 82 % der Wähler und Nicht – Wähler von dieser Art von Europa verabschiedet.
Das Gründungsmitglied und flächenmässig grösste Land Europas ist zutiefst gedemütigt durch die EU – Bürokratie in Brüssel und die herrschsüchtige Domina aus Berlin. Wenn Frankreich aus Europa ausscheidet, dann ist die grossartige Idee Charles de Gaulle’s von einem vereinten Europa in Frieden, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit am Ende!
Adieu Europe! Vive la France.
Rainer Kahni, besser bekannt als Monsieur Rainer, ist Journalist und Autor von Polit - und Justizthrillern. Er ist am Bodensee aufgewachsen, lebt jedoch seit vielen Jahren in Paris und bei Nizza. Seine Muttersprache ist deutsch, seine Umgangssprache ist französisch. Er ist Mitglied von Reporters sans frontières und berichtet für Print - Radio - und TV - Medien aus Krisengebieten.
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