26.05.2013 Angelika Mann: Was treibt mich nur?

Vor und hinter den Kulissen - Angelika Mann räumt auch mit Halbwissen über die DDR Künstler-Szene auf

von: GFDK - M H Max Ragwitz

Während Angelika Mann in ihrer Autobiografie "Was treibt mich nur?" meint, sie fängt immer mit dem Anfang an, versuche ich mal eine Art Quereinstieg in das Thema: Ihren Namen habe ich natürlich seit Jahrzehnten gekannt und gewusst, dass sie, musikalisch gesehen, mit dem Lakomy rumgemacht hat.

Virtuell kennengelernt habe ich die "Lütte" dann über Facebook. Von Angesicht zu Angesicht kennengelernt habe ich sie am 8. März 2013 in der Dresdner Comödie, wo sie mit fünf anderen Grazien als Kalender-Girls in köstlich-amüsanter Art und Weise die Hüllen fallen ließ. Wenige Wochen später haben wir uns aus traurigem Anlass bei Lackys Beerdigung wiedergesehen. So ganz habe ich aber auch dann noch immer nicht gewusst, woran ich bei der Mann bin.

Und nun dieses Buch, das ich in zweieinhalb Abend-Runden nahezu verschlungen habe. Ähnliche Aktivitäten meinerseits sind relativ lange her. Das erinnert mich übrigen an Kindheits- und Jugendtage, an denen ein Buch pro Tag sozusagen Satz war. Wie Angelika Mann in das Thema einsteigt, macht Spaß. Da ist, nach meinem Empfinden, nichts Koketterie um ihrer selbst willen. Sie beschreibt mit wohltuender Nüchternheit, aber auch erkennbarem inneren Bezug über ihre Eltern und Großeltern. Damit beginnt sie genau genommen noch vor dem (ihrem) Anfang. Das weitet den Blick auf die spätere Entwicklung der Lütten, wie sie schon in frühester Kindheit in vielfacher Abwandlung genannt wurde.

Sie schildert in sehr bildhafter, im Detail oft erfrischend pointierter Sprache, was sie in ihren jungen Jahren (voran) getrieben hat. Und sie offenbart auch ziemlich schnörkellos ihr Verhältnis zum privaten und gesellschaftlichen Umfeld. Wenn man die DDR aus anderer Sicht und aus anderen Lebensverhältnissen heraus erlebt, verstanden und geliebt hat, ist eben diese Offenheit der Mann schon schockierend, die diesem Staat (fast) nichts abringen konnte.

Umso faszinierender sind ihre kleinen und größeren Zugeständnisse an den ehemaligen deutschen Osten, in dem sie ihre Freunde, Kollegen und, fast wörtlich zu nehmen, auch ein recht gut behütetes (bewachtes) Umfeld hatte. Sie relativiert in manchen Passagen ihr DDR-Bild fast liebenswürdig-innig. Aber sie bleibt sich immer selber treu und hat mit dem sozialistischen Staatskonstrukt eigentlich nichts am Hut. Das muss man nicht mögen, kann man aber wohl schätzen.

Mir war vieles, was die Mann sich da von der Seele schreibt jedenfalls Anlass dazu, eigenen Positionen zu überprüfen und zumindest gedankliche Toleranz zu proben. Das macht ja auch den Wert eines Buches aus, meine ich. Und mir kam in diesem Zusammenhang auch der alte Adenauer-Spruch in den Sinn, dass man die Menschen nehmen möge, wie sie sind. Weil es ja keine anderen gibt.

Richtig spannend wird's natürlich, wenn Angelika Mann in die kulturell-künstlerische Szene eintaucht. Sie klärt auch den uneingeweihten Leser buchstäblich auf, was da so alles vor und hinter den Kulissen abgegangen ist. Sie skizziert Mini-Porträts von künstlerischen Wegbegleitern und Freunden. Und sie revidiert damit für mich zumindest in Ansätzen die Sichtweise auf Leute wie Nina Hagen, Ute Freudenberg und Wolfgang Lippert.

Was nicht heißt, dass ich jetzt von denen ein grundsätzlich anderes Bild habe. Aber ich akzeptiere, das sie als Menschen offenbar etwas auszeichnet. Denn sonst hätte die Lütte sie anders, distanzierter, beschrieben. Dass mir trotzdem regelmäßig die Haare zu Berge stehen, wenn Lippert irgendwo auftaucht und den Mund aufmacht, mag und wird sie mir (vielleicht nicht unkommentiert) nachsehen.

Ganz nahe gehen mir ihre Kapitel zu ihrem beruflich-wirtschaftlichem Umfeld. Sie beschreibt ihre Odyssee im bundesdeutschen Paragrafen- und Behördendschungel in einer Weise, zu der Mut gehört. Sie beschönigt weder eigene Fehler, besser: Unkenntnis, noch hält sie ihre Klappe, wenn es darum geht, Nepper, Schlepper und Bauernfänger zu kritisieren und so ganz eigene Erfahrungen im Leben weiterzugeben.

Auch hier räumt sie mit Halbwissen über die DDR Künstler-Szene auf und offenbart sich im doppeldeutigen Sinne des Wortes auch als Opfer der für sie und viele anderen neuen bundesdeutschen Bedingungen. Sie nennt es nahezu lapidar "Lehrgeld". Wohl wissend, wie viel persönliche Nackenschläge und Tiefpunkte damit verbunden waren und sind.

Nun wäre ich nicht ich, wenn ich nicht auch was zu kritisieren hätte: Limbach-Oberfrohna, liebe Angelika, liegt nun ganz gewiss nicht im Vogtland. Das weiß ich als gebürtiger Erzgebirgler ziemlich genau. Was nicht heißen soll, dass die Stadt im Erzgebirge liegt. Wohl aber in Sachsen. Und dazu gehört das Erzgebirge bekanntlich nicht

Wer das anzweifelt, dem empfehle ich, bei einem Heimspiel von Erzgebirge Aue einmal einen Fan als Sachsen zu bezeichnen... Damit wäre die Kritik auch schon beendet. Cool, oder?

Was ich mir gewünscht hätte, wären ein paar mehr Sätze zu ihrem Verhältnis zu Lakomy unmittelbar vor und längere Zeit nach ihrer Ausreise in den Westen, wenn auch nicht weit weg, wie sie es sagen würde "gleich umme Ecke"....