Dialogarm und mit starken Bildern umgesetztes Spielfilmdebüt um eine Gruppe Kinder, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Baltikum ums Überleben kämpft. © Port-au-Prince (Barnsteiner)
"Die Entwurzelung ist bei Weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Wer entwurzelt ist, entwurzelt. Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht. Die Verwurzelung ist vielleicht das wichtigste und meistverkannte Bedürfnis der menschlichen Seele". Dieses Zitat der französischen Philosophin Simone Weil passt perfekt auf "Wolfskinder" von Rick Ostermann zu, der in seinem Drama ein weitgehend unbekanntes, tragisches Kapitel deutscher (Nach-)Kriegshistorie erzählt und dabei auf eine Verklärung dieser Opfer des Zweiten Weltkrieges verzichtet.
Um den archaischen Aspekt seiner Geschichte im Zentrum zu halten, spart der Spielfilmdebütant geschichtliche wie politische Zusammenhänge weitgehend aus und richtet sein Augenmerk auf das physische Erleben und Leiden seiner jungen Helden. Im Jahr 1946 müssen sich der 14-jährige Hans und dessen neunjähriger Bruder Karl nach dem Hungertod der Mutter - Jördis Triebel besticht in einem kleinen, anrührenden Kurzauftritt - vom sowjetisch besetzten Ostpreußen nach Litauen durchschlagen. Hier hoffen sie, bei einem befreundeten Bauern Unterschlupf zu finden.
Auf ihrem beschwerlichen Weg, immer auf der Hut vor marodierenden, gesichtslos bleibenden Soldaten, treffen die beiden auf andere Kinder, werden getrennt, leiden Hunger und Durst. Auf sich alleine gestellt führen sie einen Überlebenskampf, dem sie eigentlich (noch) nicht gewachsen sind. Emotional, gnadenlos und direkt, nie jedoch überhastet, treibt Ostermann seinen Plot voran. Pointiert hat er sein Drehbuch, das von den Erlebnissen seiner Mutter inspiriert ist, mit sparsamen Dialogen versehen, spekulative oder melodramatische Momente spart er ganz aus.
Der zweite "Hauptdarsteller" ist die Natur. Sie bietet den Flüchtenden Schutz und Trost, manchmal sogar Nahrung und Momente des Vergessens - zum Beispiel wenn sie unbeschwert in einem idyllischen Weiher baden. Ungekünstelte, pastorale Bilder gelingen Kamerafrau Leah Striker ("Stiller Sommer"), die die unzähligen Grüntöne der Wälder gekonnt einfängt, ohne Fokusverschiebungen oder Unschärfen arbeitet und so die Schauplätze stets mit den Kindern in Einklang bringt. Die werden (fast) alle von Laien gespielt, was zusätzlich zur Authentizität des Filmes beiträgt. geh.
Kinostart: 28.08.2014
Quelle: kino.de