15.01.2020 Gulu ist überall in Afrika

Wo zum Teufel ist Gulu? - Eine Fotoreportage von Sönke C. Weiss

von: GFDK - Reden ist Silber - Sönke C. Weiss

Meine erste Reise nach Gulu war im Jahr 2003, ein gutes Dutzend weiterer Aufenthalte folgten bis heute; im November 2018 und September 2019 entstand diese Fotoreportage, die aus etwa 150 Aufnahmen besteht und versucht, ein umfassendes Porträt dieser Stadt zu formen und von der ein kleiner Auszug hier zu sehen ist.

Doch wo zum Teufel ist Gulu?

Gulu liegt in Norduganda nahe der Grenze zum Südsudan. Es leben dort rund 150.000 Menschen. Die meisten von ihnen gehören der Volksgruppe der Acholi an. Von 1987 bis 2006 führte die Widerstandsarmee des Herrn, eine militärisch-religiöse Kultbewegung, einen Bürgerkrieg gegen die Zivilbevölkerung, den die Weltöffentlichkeit so gut wie nicht wahrnahm.

Es gab mehr als 100.000 Tote, gut zwei Millionen Menschen wurden zu Binnenflüchtlingen, schätzungsweise 100.000 Kinder wurden als Kindersoldaten mißbraucht, in den letzten Kriegsjahren suchten Nacht für Nacht Zehntausende Jungen und Mädchen aus den Gemeinden rund um Gulu Schutz in der Stadt und wurden so zu sogenannten Nachtpendlern, die ich selbst erlebt habe.

Die Regierung in Kampala sah dem jahrelangen Morden untätig zu, weil politische wie soziale Veränderungen schon immer ihren Anfang in Gulu genommen hatten und die Volksgruppe der Acholi dem heutigen Präsidenten Yoweri Museveni von jeher ein Dorn im Auge war und ist; unter anderem, weil die Mehrheit der Opposition Acholi sind.

So hoffte man denn, dass sich die nun selbst auslöschen würden. Diese Untätigkeit, man hätte den Konflikt auch als passiven Genozid bezeichnen können, hatte in der Tat zur Folge, dass sich die Kultur der Acholi vielfach aufgelöst hat und nicht viel von dem einst stolzen Volk übrig ist.

Die internationale Gemeinschaft, die viel Hilfe versprochen und wenig geliefert hat, die internationalen Hilfswerke, die meist viel zu spät kamen und dann viel zu schnell zum nächsten Konflikt weitergezogen sind, statt beim Aufbau einer neuen Zivilgesellschaft zu helfen, sie alle haben die Acholi mit ihrer posttraumatischen Lebenssituation so gut wie allein gelassen; doch es geht voran in Gulu.

Die Wunden des Krieges heilen langsam, trotz aller Probleme wie Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, häuslicher Gewalt und Armut. Eine neue Generation wächst heran. Sie strahlt Zuversicht, Mut und den Willen zur Eigenständigkeit aus.

Gulu entwickelt sich zu einer vibrierenden Schnittstelle zwischen dem Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo und eben Uganda. In gewisser Weise ist Gulu für mich archetypisch für Afrika.

Denn trotz aller Schwierigkeiten lieben die Menschen ihre Heimat, die sie nicht verlassen wollen. Auch das möchte ich mit diesem Langzeitprojekt zum Ausdruck bringen. Wo zum Teufel ist Gulu? Gulu ist überall in Afrika.

Sönke C. Weiss

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