"Ich lache das Virus einfach weg. Gott hilft mir dabei. Ohne ihn hätte uns das Virus längst getötet.“ Fotos: © Sönke C. Weiss
„Ich bin eine moderne Frau. Selbstverständlich gibt es das Virus. Meine Maske schützt mich.“
„Ich bin Apotheker und Prediger. Ich glaube an die Wissenschaft und an Gott.“
„Ich kann mir keine Maske leisten. Ich brauche ja auch keine. Das Virus ist besiegt.“
Das also ist Dar-es-Salaam! Tansanias Hauptstadt. Hochhäuser so weit das Auge reicht. Die Innenstadt bunt und vibrierend. International. Alle möglichen Religionen leben hier friedlich miteinander. Meist.
Ein beeindruckender Hafen. Grundlage für das Wachstum der sechs Millionen Menschen hier, geht man von inoffiziellen Schätzungen aus.
Von 1891 bis 1918 unter deutscher Kolonialherrschaft, vorher hatten die Araber das Sagen, die Briten blieben bis 1961, seitdem ist das ostafrikanische Land unabhängig.
Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Metropolen wie Kampala, Nairobi oder Johannesburg hat Dar-es-Salaam eines: wunderschöne Strände, die zu den schönsten des ganzen Landes gehören, obwohl auch hier die Umweltverschmutzung nicht Halt macht.
Mit traumhaften Villen und Urlaubsressorts. Wer’s sich leisten kann. Nur dass seit März eben die ausbleiben, die sonst für über 50 Prozent des Bruttosozialproduktes sorgen, wenn sie von hier aus mit der Fähre nach Sansibar strömen, in die Serengeti weiterreisen oder den Kilimanjaro erklimmen.
Die Touristen. Schuld daran ist das Corona-Virus, das es offiziell in Tansania nicht mehr gibt; nach Aussage des wiedergewählten Präsidenten John Magufuli wurde es durch Gebete besiegt.
Etwas mehr als 500 Infizierte soll es gegeben haben, keine Toten. „Take off the mask. No Covid-19 in Tanzania,“ werde ich immer wieder angesprochen. Nimm die Maske ab. Kein Covid-19 in Tansania. Soll ich den Menschen glauben?
Es wäre ja schon fast ein Wunder. Dass das Virus dieses Land verschont, während der Alptraum andernorts, auch und gerade im benachbarten Kenia, weiter anhält. Am 2. November komme ich an. Ein heißer Morgen. Die Hitze steigt aus der Erde, sickert von den Mauern, fällt vom Himmel herunter. Ich fühle mich benommen.
Schon, weil ich im Flugzeug über zwölf Stunden lang, über drei Kontinente hinweg, eine Maske und ein Corona-Schutzschild tragen mußte. Eine niederdrückende Traurigkeit lastet auf der sonst so lebhaften Stadt.
Dar-es-Salaam, das Tor zu einer wunderbaren Welt voller mondäner Ruhe und Unberührtheit. Egal was die Menschen auch sagen oder glauben, die internationalen Hotels halten sich strikt an Vorsichtsmaßnahmen. (In den öffentlichen Gebäuden ist es nicht anders.)
Es gibt unaufgefordert Desinfektionsmittel, Abstandsregeln werden eingehalten, man ist guten Muts, den einzigen Gast zu beherbergen, zeitgemäß zu wirken und ihn in Sicherheit zu wiegen. Und ja, ich fühle mich wohl aufgehoben; jedes Mal, wenn ich das Hotel betrete, mißt jemand meine Temperatur.
Die Angestellten tragen diszipliniert ihre Masken, der Fahrstuhl darf nur einzeln betreten werden, etc. Überhaupt und grundsätzlich komme ich mir nicht wie in einem Riesenkäfig vor, so wie Deutschland momentan auf mich wirkt; die Restaurants verschwunden, das Leben irgendwie auch, der psychische Stress, überall unsichtbare Mauern und überforderte Krisenmanager.
Vor meinen Augen spiegelt sich ein kulinarisches Kaleidoskop; neue, fremde Düfte, die meine Geister erwachen lassen.
Ich schlendere durch typisch asiatische, arabische und afrikanische Viertel - als einzig Weißer wohlgemerkt - und bewundere die Großprojekte, die das Leben in einer Millionenstadt bequemer für die Menschen soll, wie ein Schnellbus-System (ökofreundlich) oder eine Brücke nach Kigamboni, wohin täglich Tausende von Pendlern reisen.
Hier tut sich etwas Gewaltiges; und dem soll sich auch kein Virus in den Weg stellen. Politik eben. Schon am kommenden Tag beginne ich mein Fotoprojekt und suche nach Menschen, die willens sind, mit mir zu sprechen und sich porträtieren lassen. Es fällt mir nicht schwer, sie zu finden...
Aus dem Projekt „Nah und fern - Tansania 2020“ von Sönke C. Weiss, das der Autor und Afrika-Experte mit freundlicher Unterstützung eines Künstlerstipendiums des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen verwirklicht hat (www.soenkecweiss.com).
Weitere Reiseinformationen finden Sie auf 448 Seiten im ausführlichen und wohl recherchierten Dumont Reise-Handbuch „Kenia Tansania“ (www.dumontreise.de) für 24,99 Euro.
Sönke C. Weiss ist ein deutscher Journalist, Filmemacher und Fotograf. Der Journalist sammelte zwanzig Jahre lang Berufserfahrung als Korrespondent und Reporter für deutsche Zeitungen in Frankreich, im Balkan, Afrika und Asien.
Weiss arbeitete als Korrespondent für den Evangelischen Rundfunkdienst Baden und von 2002 bis 2008 bei World Vision Deutschland. Er reiste als Communications Manager von 2002 bis 2008[2] durch den Süden Afrikas.
Er berichtete über die Ursachen der dortigen Hungerkrise und Landminen sowie HIV. Er bereiste fast alle afrikanischen Länder. Seit 2008 arbeitet er als Foto- und Filmkünstler. 2007 folgte das Theaterstück Butterflies of Uganda, für das er für den Pulitzer-Preis nominiert wurde.
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