Seit der Veröffentlichung ihres Debütklassikers Melody A.M. im Jahr 2001 haben Röyksopp, die norwegischen Götter elektronischer Musik, erst drei weitere Studioalben veröffentlicht. 2005 schoben sie das experimentellere The Understanding nach, 2009 erschien dann das extrovertierte, pop-lastige Junior, dem das eher introvertiertere Schwesteralbum Senior auf den Fuß folgte.
Das war 2010. Doch nun, vier Jahre später, sorgten Veränderungen im persönlichen Umfeld und in den allgemeinen Lebensumständen für einen neuerlichen Anfall von Kreativität, der sich in der baldigen Veröffentlichung ihres zweiten Albums im Zeitraum von sechs Monaten niederschlägt.
Im Schlepptau des Mini-Albums Do It Again, das in Zusammenarbeit mit der skandinavischen Legende Robyn entstand, erscheint nun das facettenreiche The Inevitable End. Torbjørn schildert die Zeit, die zwischen den Veröffentlichungen liegt, so: „Wir merken, dass es da draußen eine Menge Musik gibt, die einfach keine eigene Identität hat – wir wollen, dass unsere Musik tatsächlich eigenständig ist.“ „Und wir haben nicht den Eindruck, wirklich unter Zeitdruck zu stehen. Wir möchten einfach Musik machen, die wir sonst nirgends finden. Die Aufgabe ist sehr ambitioniert und zeitaufwändig”, pflichtet Svein bei. „Uns ist es auch wichtig, dass unsere Musik eine Dauerhaftigkeit bekommt, weshalb wir bei der Produktion und der technischen Abwicklung ständig nach Wegen suchen, die einen großen Bogen um generische Produktionstrends schlägt.”
Wie bei den meisten Dingen, die Röyksopp betreffen, hat der Titel des Albums, The Inevitable End, vielschichtige Gründe. So sehr sie auch betonen, dass dies nicht das Ende von Röyksopp sein wird, so sehen sie es doch als ihr allerletztes Album an. Für Svein „ist es der Abschied vom traditionellen Albumformat. Mit unseren Alben konnten wir all das sagen, was wir zu sagen hatten, und das tun, was wir mit der LP tun wollten. Wir hören jetzt nicht auf, Musik zu machen, aber dieses Format als solches ist für uns abgehakt.” Ihr Œuvre aus fünf kompletten Alben erlaubt den zwei für die Zukunft experimentellere Freiheiten, ihre Musik mit anderen zu teilen.
Sei es über EPs, einzelnen Singles oder mehr über visuellere Schwerpunkte. „Wir hatten das Gefühl, mit Melody A.M. hätten wir unsere eigene Stimme und unseren Ansatz in elektronischer Musik etabliert. Mit The Understanding wollten wir uns anschließend eher leicht weg vom Zentrum bewegen und stärker experimentieren – ohne dabei das aufzugeben, was allgemein mit Röyksopp identifiziert wird. Junior sollte unsere extrovertierte Seite zeigen, mit dem Schwerpunkt auf Vocals und jugendlicher Energie. Bei Senior wollten wir den Spieß komplett umdrehen: instrumental, introvertiert und hintergründig”, schildert Svein ihren Werdegang.
Wir lieben Musik... weil sie uns glücklich macht
„The Inevitable End führt uns in düsterere thematische Gefilde mit einem deutlichen Akzent auf die Textinhalte. Dieser offene Ansatz fühlt sich sehr persönlich, aufrichtig und schlüssig an.” Torbjørn fügt an: „Bei diesem Album wurde klar, dass wir ein Album im klassischen Sinn machen wollten, auch wenn es unser letztes ist.” Der Erzählbogen, der sich durchzieht von den struppigen Electronics bei „Skulls“ zum Auftakt – samt des spöttischen „if you want to ride”-Mantras – bis zu „Thank You“ am Ende, das den Fans gewidmet ist, lässt einen das Album von Anfang bis Ende genießen. Es ist eine komplette Story, die einen von A bis Z begleitet.
Der Titel nimmt auch Bezug zu den zentralen Themen des Albums, sei es Verlust (emotional oder körperlich), dem Lauf der unterschiedlichsten Zeiten im Leben eines Menschen oder den Auswirkungen widersprüchlicher Emotionen; Themen, die sich bestens im Stück „Monument (T.I.E. Version)“ widerspiegeln, der epischen Zusammenarbeit mit Robyn, die als Brücke zwischen Do It Again und The Inevitable End fungiert. In der Neubearbeitung für dieses Album entfaltet es sogar noch eine anziehendere Wucht. Svein dazu: „Man kann mit gutem Recht behaupten, dass beide Platten den gleichen Themen nachgehen. Dieses Album legt starke Betonung auf Texte und Textinhalte und das offenkundiger als bei all unseren anderen Alben – da hat wohl die enge Zusammenarbeit mit Robyn beim Songschreiben Wirkung gezeigt.
Ohne jetzt zu dumpf oder bedrückt klingen zu wollen, verlief unser Leben sehr turbulent. Und vor der Fertigstellung von Do It Again befand sich Robyn in einer ähnlichen Lage, was einer der Gründe ist, warum wir so gut zusammenpassen.” Dadurch, dass an den beiden Platten zeitgleich gearbeitet wurde, mag The Inevitable End zwar in einem ähnlichen Kopfkino wie Do It Again spielen, es bleibt jedoch ein sehr ureigenes Röyksopp-Album, selbst wenn diese Beschreibung an sich äußerst dehnbar ist. „Wir versuchen stets, gewisse Grenzen zu sprengen, aber es gibt da etwas, was die ganze Zeit über immer da war und all das zusammenhält,” so Torbjørn. „Wir haben keine Lust, uns zu wiederholen.”
Während also das Auftaktstück „Skulls“ sich wie ein klassischer Röyksopp-Song anfühlt – lauter knarrende Basslines, gefilterte Synthies und gefühlvoller Gesang, auch wenn er durch den Vocoder gejagt wurde, – lässt das Album vieles Weiteres zu: ausgeklügelten, zarten Herzschmerz, wie bei „Sordid Affair“, der Zusammenarbeit mit Man Without Country; seltsam wandelbares Ambiente wie bei „Rong“, das Robyn als Sängerin begleitet; belebenden Electropop wie im trügerisch peppigen „Save Me“ (mit der Stimme der regelmäßig auftauchenden Susanne Sundfør) und dem delirierend traurigen, Tränenbäche-auf-der-Tanzfläche Klassiker „I Had This Thing“, eine von vier Schulterschlüssen mit Jamie Irrepressible.
Wie bei all ihren Alben zuvor, hatte eigentlich die Auswahl der richtigen Gesangsstimme oberste Priorität. „Wir suchen immer die richtige Stimme, die zur jeweiligen Stimmung eines Stücks passt”, bekundet Svein. „Und die Leute, mit denen wir glücklicherweise zusammenarbeiten durften, sind nicht nur jeweils brillante Gesangskünstler – auf ihre eigene Art und Weise bringen sie auch ihr eigenes Universum mit hinzu.“ „Wir laden sie dazu ein, ihr Universum auf das unsere prallen zu lassen. Es geht nicht darum, sich eine Stimme zu mieten. Wir möchten, dass die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, das Gefühl haben, dass sie sich vollständig mit einbringen könnten – es geht darum, unserer Gefühlslage die perfekte Stimme zu verleihen”, weiß Torbjørn noch hinzuzufügen.
Im Brennpunkt des Albums steht dieses universelle Gefühl von widersprüchlichen Emotionen und Alternativen; wie weit darf man bei der Erfüllung gehen? Soll man seinem Gewissen folgen oder seinen Sehnsüchten nachgeben – abgesehen von den damit verbundenen moralischen Fragen? Und dann ist da noch Zweifel und Verleugnung. Und der Kampf zwischen Wunsch und Vernunft, der seine perfekte Entsprechung in „I Had This Thing“ wiederfindet, wenn Jamie sanft zwischen der Zeile „I still don't know just what I've done” und dem emotionalen, finalen Mantra „I never meant to let you go” hin- und herpendelt, während sich eine Kavalkade elektronischer Texturen über ihn ergießt. Aber obwohl sich die Texte mit düsteren Themen befassen, ist es doch musikalisch kein selbstreflexives Album. Hier handelt es sich um eine in sich geschlossene, komplett umgesetzte elektronische Symphonie von zwei Produktionsgenies, die ständig auf Neuerung aus sind. „Senior ist zum Beispiel sehr selbstreflexiv; sowohl, was das Verborgene als auch die reine Produktion angeht.
Im Vergleich dazu stellt The Inevitable End eine sehr saubere und klare Produktion dar”, erläutert Svein. „Wir wollten, dass diese makellose Oberfläche einen Kontrast zu der härteren Thematik darstellt, die dem Ganzen unterliegt. Beim ersten Zuhören könnte man den Eindruck gewinnen, dass T.I.E. ein Ort des Trosts und der Seligkeit ist. Wenn man aber genau auf den Text achtet, erfasst man den tristen Unterton, der darunter herrscht – so, als würde die Musik bluten. Das ist überhaupt kein Dance-Album. Was uns betrifft, so ist das Musik für die eigenen vier Wände. Kopfhörermusik.” Es reicht, es einzulegen, sich zurückzulehnen und von Röyksopp wieder in ihre eigene spezielle Welt entführen zu lassen.
Album-Veröffentlichung: 14.11.2014
Peter Goebel
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