20.07.2019 MICHAELA BOLAND TRIFFT INGRID STEEGER

Kultstatus - Ingrid Steeger "...und find es wunderbar" - Ich hatte kein Verlangen nach diesem Beruf. Vielleicht hatte der Beruf Verlangen nach meiner Person

von: GFDK - Interview und Portrait - Michaela Boland

Das Große Exklusivinterview für freundederkuenste.de - MICHAELA BOLAND TRIFFT INGRID STEEGER

Mit ihrem Nachnamen wollte sie sich schon in ihrer Jugend nicht abfinden. Weil sie mit Stengert nichts anfangen konnte, wandelte sie ihn kurzerhand in Steger um als sie ihren Stenotypistinnen-Job in einem Architekten-Büro antrat.

Womöglich die einzige Rebellion ihres Lebens. Nur einige getippte Ausschreibungen und ein weiteres "e" im Namen später sollte die Öffentlichkeit noch eine ganze Menge von der schönen Blondine zu hören und sehen bekommen.

Durch die legendäre und prämierte Fernsehunterhaltungsproduktion "Klimbim" avancierte sie in den 70er Jahren zum Kultstar. Zeitgleich haftete auch das Image der sexy, aber leicht dösigen Ulknudel an ihr.

Mit zahlreichen Rollen in anerkannten Fernsehformaten zeigte sie danach immer wieder, dass sie sich nicht nur auf das schwierige Fach der Komik, sondern ebenso gut auf Ernstes versteht. Die Aufs, doch vor allem die Abs ihres Privatlebens wurden durch Medien im Laufe der Jahre immer wieder gnadenlos detailliert vor Millionen ausgebreitet.

Doch kaum ein Prominenter hat es vermocht, so aufrecht und geradlinig durch schlechte Zeiten zu gehen, wie sie. Zurzeit gibt es sie nur im Doppelpack. Yorkshire-Lady Eliza Doolitle, ein Geschenk ihrer Kasseler Theater-Kollegen, ist seit einiger Zeit ihre ständige Begleitung.

So auch im Kölner Theater am Dom, wo sie bis zum 09. Februar neben Simone Rethel, Beatrice Richter, Christine Schild und Volker Brandt in dem Stück "Der Kurschattenmann" zu sehen war, bevor die Produktion nach Bonn zog.

Ich bin sehr gespannt auf dieses Zusammentreffen und freue mich darauf. Als Kind der 70er Jahre war es stets etwas Besonderes für mich, abends hin und wieder "Klimbim" sehen zu dürfen.

Die blonde Gabi mit Zöpfen, Sommersprossen, Nickelbrille und bezeichnender Zahnlücke war mir die Liebste, weil sie, rotzfrech, die Wahrheit auf den Punkt zu bringen schien, zwar regelmäßig  eine schallende Ohrfeige ob des Wagemutes einstecken und anschließend heulen musste, sich jedoch niemals entmutigen ließ.

Ihre Darstellerin, Ingrid Steeger, hatte längst Kultstatus erreicht als sich die ersten weniger ruhmreichen Schlagzeilen über deren Privatleben durch die Printmedienlandschaft zogen.

Über zerbrochene Beziehungen und Ehen der einst so gefeierten Mimin mit Idealfigur bis hin zum traurigen Hartz IV-Antrag vor wenigen Jahren, einem Zeitpunkt, der für die Schauspielerin längst von Depressionen bestimmt war.

Wie auch immer Ingrid Steeger in den Medien beurteilt wurde, bei ihrem Publikum zeichnete sie sich wegen ihrer sympathischen Art kontinuierlich durch Beliebtheit aus.

Im gemütlichen Theater am Dom treffe ich die 65-Jährige. Von ihrer jungendlichen Frische hat sie kaum etwas eingebüßt, sondern sieht nach wie vor einfach ausgesprochen gut aus. Alter ist offensichtlich bei ihr tatsächlich nur eine Ziffer.

Selbst ihre Stimme hat sich im Laufe der Jahre kaum verändert. Ihre zweijährige Yorkshire-Terrier-Hündin, Eliza Doolittle, die sie auf Schritt und Tritt begleitet und ihr nur gelegentlich, wenn sie einen Knochen oder gar Luftballons zum hineinbeißen und platzen lassen sucht, von der Seite weicht, ist zu einem wichtigen Faktor im Leben der Schauspielerin geworden.  

Michaela Boland:

In ihrem aktuellen Theaterstück, "Der Kurschattenmann" im Kölner Theater am Dom, geht es um einen alternden Casanova , der, nicht ganz ohne Hintergedanken, versucht, direkt mehrere Damen gleichzeitig zu beglücken. Was für eine Rolle spielen sie dabei?

Ingrid Steeger:

Ich spiele eine Dauerpatientin, eine Frau, die eine sehr schwierige Ehe hatte und unter Depressionen leidet. Alle Damen in diesem Stück leiden unter Depressionen. Jede ist ein wenig vom Leben geschädigt und wir verlieben uns alle in diesen Ulrich" (gespielt von Volker Brandt), der ein Charmeur ist, allerdings auch ein kleiner Hochstapler, und der versucht, an das Geld der Frauen zu kommen. Aber natürlich auf amüsante Art.

Michaela Boland:

Wie haben sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Ingrid Steeger:

Ich habe den Text gelernt (lacht).

Michaela Boland:

Hin und wieder besteht ja die Notwendigkeit, sich intensiver in bestimmte Charakterzüge einer Rolle hineinzufinden. Man liest gelegentlich, dass Schauspieler für eine Rolle zu- oder abnehmen, manchmal sogar ein Stück weit real in ein solches Leben eintauchen müssen, um so authentisch wie möglich zu sein.

Ingrid Steeger:

Es ist ein Boulevardstück und das ist natürlich auf Komödie aufgebaut. Wir müssen uns also in keine Depression hineinfinden, ganz anders als zum Beispiel bei dem letzten Stück, dass ich in Kassel gespielt habe, "Gatte gegrillt". Das war ein völlig anderes sich Heranarbeiten.

Da ging es um eine Frau, die nach 20 Jahren Ehe von ihrem Mann für eine jüngere Geliebte verlassen wurde. Diese Frau kommt einfach nicht damit klar, dass er sie einfach so in die Ecke gestellt hat, und versucht, dies auch noch nach Jahren aufzuarbeiten.

Das ist etwas ganz anderes, da muss man dann mehr dran arbeiten. Aber hier geht es im Grunde genommen nicht nur um die Depression, sondern darum, was dieser Ulrich erfindet und wie wir darauf hereinfallen und später versuchen, ihn auszutricksen und uns schließlich zu distanzieren.

Es ist insoweit eine lockere Unterhaltung, denn wenn sich die Depression im Text widerspiegeln würde, wäre es keine Unterhaltung mehr.

Michaela Boland:

Das andere Stück, das sie gerade ansprachen, "Gatte gegrillt" spielten sie in Kassel?

Ingrid Steeger

:Ja, das war eine Tragikomödie, eine englische, schwarze Komödie. Wir spielten es in Kassel und Bremen. In Bremen wird es wohl auch noch einmal aufgeführt werden.

Michaela Boland:

Wenn sie ein Stück zeitversetzt noch einmal spielen und zwischendurch für andere Produktionen zur Verfügung stehen, bleibt ihnen der Text dann eigentlich trotzdem im Gedächtnis oder müssen sie den alten Text dann in der Tat von Grund auf neu erlernen?

Ingrid Steeger

Nein, das Hirn ist ja ein Computer. Da ist alles gespeichert, wenn man noch einmal darüber geht. Ich habe gerade drei Stücke drauf. Das Stück "Gatte gegrillt" werde  ich wahrscheinlich noch einmal in Bremen spielen. Außerdem werde ich jetzt damit anfangen, noch ein anderes Stück für Kassel zu lernen. Also, das ist alles abrufbereit. Man geht natürlich nochmal drüber, das ist ganz klar.

Michaela Boland:

Gibt es bei ihnen auch schon mal Angst vor einem Blackout?

Ingrid Steeger:

Doch, die hat jeder Schauspieler, aber ich hatte das Problem bis jetzt glücklicherweise noch nicht. Manchmal kommt es vor, dass man in der einen Sekunde denkt, "Oh Gott, wie gehts jetzt weiter", aber in letzter Sekunde ist der Text dann wieder da. Es kann auch passieren, wenn man zu oft spielt und man sich dann einfach zu sicher ist und manchmal ein bisschen vor sich hin träumt.

Michaela Boland:

Kannten sie die Kollegen aus ihrem aktuellen Stück schon durch frühere Zusammenarbeit?

Ingrid Steeger:

Die Simone Rethel kannte ich schon, Christine Schild zuvor noch nicht. Aber Beatrice Richter und Volker Brandt kannte ich ebenfalls schon lange.

Michaela Boland:

Funktioniert die Zusammenarbeit grundsätzlich leichter, wenn man sich bereits kennt?

Ingrid Steeger:

Die Phase des Kennenlernens kann man dann natürlich überspringen. Man lernt sich selbstverständlich bei den Proben noch besser kennen. Das Gute an den Proben ist dann immer, dass es sowohl ein berufliches als auch ein privates Zusammenraufen ist.

Michaela Boland:

Setzen sie sich im Anschluss an die Vorstellungen immer noch privat mit den Kollegen zusammen?

Ingrid Steeger:

Also, heute setzen wir uns zum Beispiel zusammen. Oder als der Jopie 109 Jahre alt wurde (Anm. d. Red.: Johannes Heesters wäre am 05.12.2012 109 Jahre alt geworden, verstarb allerdings am 24.12.2011) haben wir uns in seiner Abwesenheit zusammengesetzt.

Das war übrigens nicht dramatisch, sondern es war sogar sehr lustig. Da hat die Simone gesagt, dass der Jopie Heesters zu seinem Geburtstag immer sehr gerne viel Leute um sich gehabt habe.

Da haben wir gesagt, "o.k., dann machen wir das auch", und haben uns alle zusammen gesetzt. Auch zum Geburtstag von Beatrice Richter und Christine haben wir das getan. Manchmal setzten wir uns auch alle zusammen, wenn irgendjemand Besuch bekommt.

Aber eben nicht jeden Abend. Auf Tournee ist man natürlich automatisch mehr zusammen, aber hier in Köln hat jeder seine eigene Wohnung oder sein Appartement und so sein Eigenleben. Das ist üblich, wenn man irgendwo fest spielt.

Michaela Boland:

Montags ist spielfrei. Was tun sie an diesem Tag üblicherweise?

Ingrid Steeger:

Es ist eigentlich immer irgendetwas. Irgendwelche Interviews oder sonstige Termine. Auch arbeite ich gerade an einem Buch und der Lübbe-Verlag ist ja hier in Köln ansässig, insofern ist da immer irgendetwas zu tun.

Nur abends versuche ich zumindest immer, in meiner Wohnung zu sein, auf die Uhr zu gucken und zu sagen, "jetzt wäre ich normalerweise auf der Bühne und jetzt bin ich nicht auf der Bühne". Wir spielen hier ja sieben Tage die Woche. 

Michaela Boland:

Worum wird es in ihrem Buch gehen?

Ingrid Steeger

Natürlich, um mein Leben (lacht). Worum soll es sonst gehen?

Michaela Boland:

Also eine Autobiografie. Packen sie da alles hinein oder werden bestimmte Themen ausgeklammert?

Ingrid Steeger:

Es wird natürlich immer etwas bleiben, was nur mir gehört, das ist ganz klar. Aber es stand ja sehr viel in der Presse, doch das ist ja immer alles nur recht oberflächlich angedeutet und die Hintergründe nicht. In meinem Buch wird viel drin stehen, was auch nicht immer lustig sein wird, auch viel Neues. Es ist jedoch kein ab- oder aufrechnen.

Michaela Boland:

Wann wird es erscheinen?

Ingrid Steeger:

Im August.

Michaela Boland:

Steht der Titel bereits fest?

Ingrid Steeger:

Ja, es heißt "...und find es wunderbar". Also nach dem ..."dann mach ich mir `n Schlitz ins Kleid", das lassen wir natürlich weg, sondern nur ".und find es wunderbar".

Michaela Boland:

War Klimbim für sie eigentlich Fluch, Segen oder beides?

Ingrid Steeger:

Beides natürlich, beides. Ohne Klimbim würde ich heute nicht hier sitzen und sie würden mich nicht interviewen.

Michaela Boland:

Man weiß es nicht.

Ingrid Steeger:

Ich hatte kein Verlangen nach diesem Beruf. Vielleicht hatte der Beruf Verlangen nach meiner Person, aber ich nicht nach dem Beruf. Das hat sich so ergeben. Ich bin rein geschlittert und bin dabei geblieben.

Michaela Boland:

Sie haben die Handelsschule abgeschlossen und in einem Architekturbüro gearbeitet.

Ingrid Steeger:

Kurzfristig, sehr kurzfristig.

Michaela Boland:

Was gehörte da zu ihren täglichen Aufgaben?

Ingrid Steeger:

Schreibmaschine schreiben. Ausschreibungen tippen. Ich war als Stenotypistin tätig, es gab ja noch keine Computer und dergleichen.

Michaela Boland:

War das nicht so geplant?

Ingrid Steeger:

Es war nie mein Traum im Büro zu arbeiten. Es war auch nicht mein Traum, auf die Handelsschule zu gehen. Das waren damals andere Zeiten. Mein Vater hat bestimmt, dass ich auf die Handelsschule gehe und damals hat man halt das gemacht, was die Eltern gesagt haben.

Michaela Boland:

Was haben sie da für einen Abschluss gemacht?

Ingrid Steeger:

Wirtschaftsabitur.

Michaela Boland:

Was war ihr eigener Plan für ihr Leben?

Ingrid Steeger:

Ich wollte ganz einfach nicht  im Büro arbeiten. Damals kamen gerade die Discotheken auf, das war ja damals was ganz Neues. Und dann fing ich an, in Berlin als Go-Go-Girl in Diskotheken zu tanzen. Allerdings nicht wie die Go-Go-Girls heute sind.

Wir haben Röckchen angehabt, Stiefel und lange T-Shirts und standen nur so da und haben so vor uns hingetanzt. Und dann habe ich auch teilweise zwischendurch im Büro gearbeitet und habe das natürlich zu Hause auch nicht so genau erzählt.

Dann habe ich aufgehört, regelmäßig bei dem Architekten zu arbeiten und zwischendurch immer, wenn das Geld knapp war, dann als Sekretärin gejobbt und immer wieder mal getanzt. Und so hat sich das alles irgendwie ergeben. Bei mir hat sich immer alles ergeben, das griff stets ineinander über, ob ich wollte oder nicht.

Michaela Boland:

Haben sie denn auch ein wenig darauf vertraut, dass immer irgendetwas kommt?

Ingrid Steeger:

Ich habe auf gar nichts vertraut. Ich wusste nur etwas: Mein Leben sollte nicht im Büro enden. Allerdings sollte es auch nicht vor der Kamera enden.

Michaela Boland:

Glauben sie an Schicksal?

Ingrid Steeger:

Ja, wenn man sein Leben beobachtet, liegt das Schicksal eigentlich in meiner eigenen Hand. Wenn man das im Nachhinein sieht, ging eigentlich alles ineinander über. Nur leider kapiert man das in dem Moment nicht, sonst könnte man seine Fähnchen rechtzeitig besser danach ausrichten

Michaela Boland:

Sie haben beschrieben, dass sie in ihrem Leben vieles gemacht machen, was andere von ihnen verlangt haben. Würden sie dies, rückwirkend betrachtet, heute anders handhaben?

Ingrid Steeger:

Mit diesem Satz kann ich gar nichts mehr anfangen. Ich überlege da auch gar nicht. Was sage ich? Wenn ich das und das gemacht hätte, wäre vielleicht nicht das und das passiert. Wenn ich keine Sexfilmchen gemacht hätte, hätte ich nicht Klimbim gemacht.

Mich mochten damals die Kinder, die Frauen und die Männer und wenn ich kein Ja-Sager gewesen wäre, wäre mein Sex, den ich nicht freiwillig gegeben habe, sondern, den ich gab, weil ich ihn geben musste, weil man es von mir verlangte, vielleicht nicht so sauber rüber gekommen, dass mich wiederum dann nicht  die Kinder und die Frauen geliebt hätten.

Also, das ist alles so ein Gemisch. Wenn, wenn, wenn und hätte. Dieses Wort "hätte", habe ich eigentlich aus meinem Leben getan. Ich kann es nicht ändern und ich will auch gar nicht darüber nachdenken, was dann passiert wäre, denn ich weiß es nicht.

Michaela Boland:

Eigentlich sind sie über all die Jahre bei Jung und Alt  nahezu dauerbeliebt.  Erinnern sie sich überhaupt an Negativ-Kritik?

Ingrid Steeger:

Negative Kritik in dem Sinne eigentlich kaum. Aber, sagen wir mal, es hat vieles, was die Presse geschrieben hat, nicht gestimmt. Die Presse hätte eigentlich wissen müssen, dass sie mir mit dem, was sie da  hin und wieder schreibt, schadet.

Aber sie haben es halt  geschrieben, weil es aufreißerisch ist und weil sie eben etwas schreiben müssen. Aber, dass mich jetzt jemand verdammt hat, in dem Sinne, eigentlich nicht. Nun muss ich sagen, lese ich auch sehr wenig die Presse, weil ich mich nicht ärgern will.

Denn einiges stimmt und einiges stimmt natürlich nicht. Und wenn man das dann so liest, wie man es nun gar nicht gesagt oder gemeint hat, ist das nicht schön. Oder es kommen so schlimme Mutmaßungen, die dann mein Leben schon vorausbeschreiben, wo ich denke, das kommt einer Verurteilung gleich, wobei sie ganz genau wissen, dass das nicht stimmt. Aber wir wissen ja, wie die Medien sind.

Michaela Boland:

Also, egal, wie lange man im Business ist, man ärgert sich immer mal wieder über Berichterstattung hinsichtlich der eigenen Person?

Ingrid Steeger:

Darum lese ich es mir erst gar nicht durch, dann braucht man sich auch nicht zu ärgern. Aber es gibt leider Gottes immer Leute, die einem das dann schicken.

Michaela Boland

Man hat ihnen für viele Jahre den Stempel "Ulknudel" verpaßt.1992 kam dann "Der große Bellheim" unter der Regie von Dieter Wedel, mit dem sie auch privat liiert waren. Es wurde vielerorts so formuliert, dass sie  nun in das sogenannte "seriöse Fach" wechselten. War es ihnen selbst ein Bedürfnis, vom Image der lustigen erotischen Frau in das sogenannte seriöse Schauspielfach zu überzugehen?

Ingrid Steeger:

Also für mich ist alles seriös. Klimbim war die härteste Arbeit meines Lebens. Ich habe vor dem Bellheim auch schon zweimal Derrick und den Kommissar gemacht. Außerdem habe ich darüber hinaus bereits in Fernsehspielen Rollen übernommen.

Also, ich habe nicht nur Komik gemacht. Die Leute hängen sich nur immer an der Komik und insbesondere an Klimbim fest. Bellheim ist nicht das erste in dieser Richtung gewesen. Ich habe nämlich auch einen anspruchsvollen Derrick gemacht.

Das ist das gleiche in grün. Nur damals wurde das durch den Dr. Dieter Wedel, weil ich ja auch noch mit dem liiert war, einfach groß herausgehoben. Bellheim war natürlich ein riesen Erfolg, ist auch in einer Zeit entstanden, in der ich mit ihm liiert war. So habe ich auch den ganzen Aufbau mit verfolgt. Dadurch wurde die Rolle natürlich stark überbewertet.

Michaela Boland:

Wie haben sie sich eigentlich ineinander verliebt? Ich selbst hatte noch keine Gelegenheit, ihn kennenzulernen, habe allerdings das eine und andere Mal von Schauspielern gehört, dass er auch recht streng sein könne. Können sie das bestätigen?

Ingrid Steeger:

Streng ist ein sehr nettes Wort. Ja, er ist ein sehr schwieriger Mensch. Aber  immerhin haben wir es ja fünf Jahre miteinander geschafft. Und es war keine unglückliche Zeit. Im Nachhinein sieht man vieles anders. Aber wir hatten eigentlich eine sehr gute Zeit, die nicht immer einfach war. Doch schwierige Menschen sind nun mal schwierig und das wusste ich natürlich.

Michaela Boland.

War es Liebe auf den ersten Blick?

Ingrid Steeger:

Nein, ich habe mich ja auch mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, weil ich ja wusste, dass er schwierig war. Aber, da ich nun mal gelernt habe, im Leben mehr auf andere Leute einzugehen, ist mir das vielleicht nicht so schwer gefallen wie den anderen Frauen.

Michaela Boland:

Ist das heute noch immer so bei ihnen, mehr auf die Bedürfnisse anderer Menschen einzugehen als auf ihre eigenen?

Ingrid Steeger:

Ich habe schneller den Durchblick als früher und versuche da schon, meine Distanz zu halten. Jedoch glaube ich, dass es einfach ein Teil meines Charakters ist, das ich vielleicht immer ein bisschen mehr in den Menschen sehe und dann tut man auch mehr für die anderen.

Ich kann dann deren Bedürfnisse nicht einfach an mir abprallen lassen. Ich versuche, die Menschen mehr zu ergründen und bringe womöglich einfach manchmal ein bisschen zu viel Verständnis für andere auf und das merken natürlich manche Leute und die wissen das dann schon zu benutzen.

Michaela Boland:

Kommen wir noch einmal auf Klimbim zurück. Sie sagten gerade, es sei für sie die härteste Arbeit ihres Lebens gewesen. Inwieweit hatte das mit dem Regisseur Michael Pfleghar zu tun?

Ingrid Steeger:

Ja, es war sehr schwierig. Und auch hier kommt wieder hinzu, dass wir miteinander liiert waren und dass ich ihm dann gehört habe, beruflich wie privat. Das war für mich zum damaligen Zeitpunkt durchaus in Ordnung. Im Nachhinein sieht man vieles anders.

Im Hinblick auf meine Jugend sagen die Leute ja auch, "deine Jugend war ja schrecklich", aber in meiner Jugend fand ich meine Jugend in Ordnung. Mit dreißig vierzig Jahren dann nicht mehr.

Aber, das ist auch vielleicht etwas, das man überlebt, wenn man es in dem Moment so sieht. Aber Klimbim war eben deshalb so schwierig, weil ich vor der Kamera nicht so agieren konnte, wie ich es gerne getan hätte.

Oder der  Pfleghar hat es auch einfach nur nicht so gesehen und er hat es natürlich, ich sage immer "rausgeprügelt" in Anführungsstrichen. Ich wusste nicht, dass ich komisch sein würde und er hat es mit Gewalt herausgeholt und ich habe gehorcht.

Also ich habe wieder mal gehorcht. Wie immer im Leben, habe ich auch ihm gehorcht. Und das war ja offensichtlich richtig so. Es hat nicht unbedingt Spaß gemacht, aber es kam etwas dabei heraus. Und das durfte das Publikum ja nun auch nicht merken.

Das war wichtig. Wenn wir das jetzt zusammen durchgehen würden, könnte ich ihnen jede Szene nennen, bei der ich geheult habe. Auch beim Schneemann. Das war nicht im Studio, sondern das war wirklich draußen im Schnee. Und das im Abendkleid.

Und das mussten wir zehn bis zwanzig Mal drehen und da bin ich fast erfroren und bin seiner Meinung nach immer falsch um den Schneemann herumgelaufen. Das war dann auch nicht komisch.

Michaela Boland:

Als vorlaute Gabi haben sie in der Klimbim-Familie regelmäßig Backpfeifen kassiert. Wurden die Schläge gefakt oder mussten sie den Schmerz tatsächlich aushalten?

Ingrid Steeger:

Es war real. Das war nicht komisch. Die Volkmann hat eine gute Handschrift gehabt.

Michaela Boland:

Hatten sie denn nie das Bedürfnis, Elisabeth Volkmann bei Gelegenheit mal eine schallende Ohrfeigen-Retourkutsche zu verpassen?

Ingrid Steeger:

Nein, ich dachte ja, das muss so sein.

Michaela Boland:

Schauen sie sich Wiederholungen von Klimbim gelegentlich an? Können sie das gut sehen?

Ingrid Steeger:

Nein, das gucke ich mir nicht an. Ich sehe mir auch keinen Talk, den ich gemacht habe, an. Ich gucke mich überhaupt nicht an. Machen aber viele Schauspieler nicht. Ich kann mich nicht ertragen. Klimbim, kann ich nicht mehr verbessern.

Man ärgert sich auch nur darüber. Bei Talks zum Beispiel, dann denkt man, wieso hast du nicht dieses oder jenes gesagt oder, das hättest du machen können. Ich weiß das in dem Moment selbst, wenn ich den Mund aufmache, weiß ich schon, was falsch ist und dann brauche ich mir das nicht noch einmal anzuschauen.

Michaela Boland:

Sie haben früher auch Fernsehwerbung für Rolo Schokoladenkaubonbons und Old Spice gemacht. In was für einer Erinnerung haben sie die Spots?

Ingrid Steeger:

Rolo, das war eine süße Werbung. Das waren die größten Werbespots, die ich gemacht habe. Für Rolo haben wir sogar auch Preise erhalten.

Michaela Boland:

Im Rolospot haben sie gesungen, ebenso wie regelmäßig in Klimbim. Gab es auch Anfragen von Produzenten für Plattenproduktionen?

Ingrid Steeger:

Ja, klar. Ich habe auch einige gemacht.  Auch hier wollte ich eigentlich gar nicht, aber die wollten. Ich fand mich nie gut als Sängerin. Selbst da habe ich mich Satz für Satz gequält. Ich habe auch Musical gemacht, bin zur Falckenbergschule gegangen, habe die Lieder einstudiert.

Und dann kam ich bei den  Freilichtspielen auf die Bühne und da hatten wir kein Mikroport und nichts und meine Stimme hat total versagt. Wenn ich Theater spiele, geht meine Stimme bis ganz nach hinten, auch wenn tausend Leute da sind.

Dann hole ich mir meine Stimme einfach tief aus dem Bauch, aber wenn ich singe, dann rutscht mir die Basis nach oben. Ich kann nicht singen und ich will auch nicht, weil ich nicht kann (lacht).

Michaela Boland:

Haben sie zu irgendeinem Zeitpunkt eigentlich noch eine klassische Schauspielausbildung absolviert?

Ingrid Steeger:

Nein.

Michaela Boland:

Funktionierten Dinge wie auf der Bühne laut und deutlich sprechen zu können dann aufgrund ihrer gesammelten Erfahrung?

Ingrid Steeger:

Das habe ich mir erarbeitet. Beim ersten Theaterstück habe ich das nicht gehabt. Zwischen Bühne und Fernsehen liegen natürlich Welten. Mein erstes Stück war ein Zwei-Personenstück mit Harald Leipnitz und da ging meine Stimme gar nicht nach hinten und da haben die Leute auch immer gerufen "lauter, lauter".

Da habe ich mir die Bühnenwirksamkeit dann mit der Zeit vom Spielen her erarbeitet. Wer Fernsehen spielt, gewährleistet noch lange nicht, dass er eine Bühnenwirksamkeit hat. Umgekehrt genauso.

 

Michaela Boland:

Halten sie eigentlich noch Kontakt zu ihren früheren noch lebenden Klimbim-Kollegen, wie Wichard von Roell oder Peer Augustinski?

Ingrid Steeger:

Zu Peer ja. Er wohnt ja auch hier in Köln. Der war auch schon hier im Theater. Wichart, also zum Opi, weniger. Die anderen sind ja schon tot.

Michaela Boland:

Sie haben vor einigen Jahren bereits ein Buch herausgebracht, in dem es um ihre Männer gehen soll.

Ingrid Steeger:

Nein, das ist kein Buch, bitte. Oh, da bin ich auch so was von stinkig. Das ist auch nur wieder aus Blödsinn entstanden, weil jemand das wollte. Das ist ja kein Buch, das sind Karikaturen. Es ist gezeichnet und dann steht da jeweils so ein blöder Text drunter.

Also das kann man vergessen, da stehe ich auch nicht zu, zu diesem Buch. Das ist aus Blödsinn entstanden und der Verkauf versucht das halt bis heute noch das zu vermarkten. Ich finde auch den Vertrag nicht mehr, habe da auch nie eine Abrechnung oder sonst was gekriegt und das ärgert mich immer.

Michaela Boland:

Nichts desto trotz haben sie ja bereits die eine oder andere Erfahrung mit Männern in ihrem Leben gemacht, die nicht unbedingt immer nur schön war, wie man im Laufe der Jahre auch in den Medien mit verfolgen konnte. Wofür sind Männer aus ihrer heutigen Sicht eigentlich gut?

Ingrid Steeger:

Ja, das frage ich mich auch. Ja, gut, es gibt schon gute Beziehungen.

Michaela Boland: Was macht eine gute Beziehung nach ihrem Dafürhalten aus?

Ingrid Steeger:

Einfach eine gute Gemeinschaft, etwas zusammen erleben und durchleben. Ich kann nicht behaupten, dass ich nur schlechte Beziehungen hatte. Ich denke, der Anfang ist immer schön und man hat immer eine schöne Zeit gehabt.

Und dann irgendwann merkt man, dass die Zusammengehörigkeit doch nicht so gegeben ist und dann geht man halt auseinander. Ich finde das schön, wenn ich sehe, dass Leute 25, 30, 40, 50 Jahre verheiratet sind, aber auch die hatten natürlich ganz harte Zeiten. Und die haben sich im Alter dann wieder zusammengerauft.

Also eigentlich müsste man versuchen, das durchzustehen. Also an Treue oder so etwas glaube ich prinzipiell nicht. Nicht nur in Bezug auf das, was ich erlebt habe, sondern auch, was ich bei den anderen Leuten sehe.

Ich glaube, das ist auch irgendwie nicht im Menschen drin, was ich sehr traurig und schade finde. Der Körper gehorcht offensichtlich nicht immer so ganz. Aber ich finde es schön, dass man trotz allem zusammenbleiben kann. Wenn ich ältere Ehepaare sehe, die Hand in Hand herumlaufen, finde ich das herrlich.

Und jeder hat da mal ein außereheliches Verhältnis gehabt, das geht ansonsten ja nicht über eine so lange Zeit, aber ich finde es einfach toll, dass man dann trotzdem zusammenbleibt.

Michaela Boland:

Bei Bettina Böttinger im Kölner Treff haben sie geäußert, dass sie Angst vor einer Beziehung hätten. Ist das nach wie vor so? Könnten sie sich nicht vorstellen, noch einmal die Liebe zu finden?

Ingrid Steeger:

Ich kann es mir überhaupt nicht vorstellen. Nein.

Michaela Boland:

An Angeboten mangelt es mit großer Wahrscheinlichkeit kaum. Wie könnte ein potentieller Kandidat denn idealerweise sein?

Ingrid Steeger:

Weiß ich nicht. Der müsste gebacken werden. Ich kann es nicht sagen. Ich möchte keinen Jüngeren haben und ich möchte auch keinen Älteren haben. Also so einen alten Mann möchte ich auch nicht unbedingt nackt sehen. Und einen Jüngeren, nun, als ich 50 war, hatte ich mal eine Beziehung mit einem jüngeren Mann.

Ich kann gar nicht verstehen, wie ältere Frauen sagen können, dass sie sich mit einem jüngeren Mann an der Seite jung fühlen. Ich habe mich alt gefühlt. Zuerst einmal, mit welchen Leuten der sich umgeben hat, da war ich schon längst einen Zacken drüber.

Das war einfach nicht mehr meine Welt. Vielleicht gaukelt man sich da für eine Zeit etwas vor. Dann ist das sicherlich schön, weil man für eine Weile mal wieder in etwas anderes eintaucht.

Aber mit der Zeit merkt man irgendwie, das ist vorbei, da bin ich schon mal durch. Es ist fein, wenn das andere durchmachen, das freut mich für sie. Man soll natürlich auch nie sagen.

Aber ich hätte Schwierigkeiten damit, da wieder Kompromisse zu machen und mich anzupassen. Dann saust da wieder einer in der Gegend herum, nein, das ist mir zu anstrengend.

Michaela Boland:

Sie haben deutlich geschildert, dass sie in ihrem Leben immer wieder anderen Menschen gehorcht haben. Wären sie denn heute sicher davor, zu gehorchen, gesetzt den Fall, sie verlieben sich allen Widerständen zum Trotz doch  erneut?

Ingrid Steeger:

Das ist ja eben das Problem. Ich wäre mir da nicht so sicher, dass mir das nicht mehr passiert. Und ich habe keine Lust, dass das wieder von vorne losgeht. Denn ich würde wahrscheinlich automatisch, also nicht mehr gehorchen, aber ich würde einfach sehen, dass es meinem Partner gut geht und der würde das dann wieder ausnutzen und so weiter.

Ich will auch nicht ständig jemanden um mich herum haben. Wissen sie, ich bin jetzt 65 und kann nicht mehr mit einem Mann zusammen alt werden. Wenn ich jetzt einen mit 30 kennengelernt hätte, dann wird man zusammen alt.

Ich würde es vom Optischen her erleben. Sein Körper verändert sich, mein Körper verändert sich. Wenn ich aber jetzt einen kennenlerne, dann sehe ich den schon mal alt und er sieht mich alt. Diese Entwicklung ist gar nicht mehr gegeben, gar nicht mehr zu schaffen. Selbst wenn ich jetzt einen Mann in meinem Alter kennenlerne, ist der ja schon voll entwickelt.

Wir können nicht mehr in dem Sinne zusammen alt werden. Natürlich gibt es Wunder, vielleicht gibt es auch noch mal eins. Aber darüber denke ich nicht nach. Ich habe gute Freunde und ich habe Eliza Doolittle, meinen Hund.

Die ist jetzt zwei Jahre alt. Wenn man mal überlegt, kleine Hunde werden alt, wenn sie nicht krank werden. In fünfzehn Jahren bin ich achtzig, also, was soll das?

Michaela Boland:

Sie sind das jüngste von drei Geschwistern. Wie ist das Verhältnis zu ihrer Familie?

Ingrid Steeger:

Ich habe einen Bruder, der ist in Berlin. Der hat mich gerade angerufen und eine Schwester, die mich ebenfalls heute angerufen hat. Das Verhältnis zu meinen Geschwistern ist sehr gut, zu meiner Schwester enger als zu meinem Bruder.

Mein Bruder hat mich angerufen, um mir den Hörer hinzuhalten, weil meine Mutter mal einen lichten Moment hatte und vor sich hingesprochen hat. Sie ist 100 Jahre alt und dement. Sie ist eigentlich gar nicht mehr, quasi ein lebender Leichnam und alle paar Monate redet sie irgendetwas vor sich hin.

Michaela Boland:

Wie oft sehen sie sich?

Ingrid Steeger:

Wir haben uns am 17. August gesehen. Das war ihr 100.ster Geburtstag. Da hat sich die Familie getroffen. Dazu muss ich sagen, dass eigentlich bekannt ist, dass wir nie eine glückliche Familie waren und da auch keine Liebe zwischen der Mutter und uns war. Sie tut mir einfach nur leid.

Michaela Boland:

In einer Boulevardzeitung war zu lesen, dass  sie geäußert hätten, ein Ableben sei eine Erlösung für ihre Mutter.

Ingrid Steeger:

Ja. Sie hat kein Leben mehr. Ich wünsche das jedem Menschen, wenn er mal so dran ist wie sie. Sie wird gewickelt, sie wird gefüttert. Das habe ich dem Express, den Blödmännern, nicht gesagt, das haben sie sich aus "Volle Kanne" herausgezogen und haben natürlich die Überschrift gemacht "Ingrid Steeger wünscht sich den Tod ihrer kranken Mutter".

Meine Mutter kriegt nichts mehr mit, liegt nur apathisch herum und dämmert vor sich hin. Das ist kein Leben mehr. Das ist entwürdigend. Ab und zu redet sie, da muss das Langzeitgedächtnis durchkommen, aber auch das hat keinen Zusammenhang mehr. Es ist einfach kein Leben.

Michaela Boland:

Dass sie in finanzieller Hinsicht einmal durch eine sehr schwierige Zeit gegangen sind, konnte ganz Deutschland durch sensationslüsterne Boulevardmedienberichterstattung mit verfolgen.

Wie haben sie es geschafft, derart bemerkenswert aufrechten Ganges durch diese Lebensphase hindurchzugehen und welchen Tipp geben sie Menschen in ähnlichen Lebenssituationen?

Ingrid Steeger:

Ich bekomme viele Anfragen in dieser Hinsicht. Viele Menschen fragen mich, die in der Situation sind. Doch das kann man nicht mit meiner Situation vergleichen. Erstens mal war ich ja in einer schweren Depression. Da kamen viele Dinge, wie Depression und Krankheiten zusammen.

Das Ganze hat sich auch jahrelang vorher angekündigt, so etwas kommt ja nicht von heute auf morgen. Durch meinen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad hatte ich jedoch das Glück, dass die Leute mich aufgefangen haben. Ein normaler Mensch wird ja leider nicht so aufgefangen wie ich aufgefangen wurde.

Dadurch, dass das so groß in der Presse stand, was für mich ein schlimmer Schlag war, musste ich mich ja dazu stellen. Es ging nicht anders.

Michaela Boland:

Hat da jemand aus ihrem direkten Umfeld geplaudert oder wie kam ans Licht, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr aus eigener Kraft bestreiten konnten?

Ingrid Steeger:

Natürlich, bestimmt. Ich weiß es nicht. Die Bildzeitung hat es herausbekommen und die haben perfekt daran gearbeitet, bestimmt zwei, drei Monate. Die wussten alles ganz genau, mehr als ich. An welchem Tag und um wie viel Uhr ich den Antrag gestellt habe.

Da konnte man auch gar nichts widerlegen. Da muss man ja dann zu stehen, denn das waren alles Fakten. Es war alles nachzuweisen und da kam ich dann gar nicht mehr drum herum.

Michaela Boland:

Sie hätten versuchen können, sich mit der empfundenen Schmach zu verkriechen, haben jedoch tapferer weise gegenüber der Öffentlichkeit regelmäßig Rede und Antwort gestanden. Wie haben sie sich dazu motivieren können?

Ingrid Steeger:

Mich zu verstecken, ging ja gar nicht, denn dann wäre ich tot gewesen. Tot für mich und für die anderen. Dann wäre ich wirklich am Boden gewesen. Es gab wirklich nur die Möglichkeiten, entweder bleibe ich liegen, weiterhin in meinem Koma und in meiner Depression verhaftet oder ich stehe auf.

Und dadurch, dass ich mich dazu gestellt habe, also, ich bin wieder einmal dazu gezwungen worden, etwas zu machen, habe ich dann auch die Kraft bekommen.

Dann standen nämlich auch die Medien zu mir, ebenso wie die Leute. Dadurch kam ich nach vier Monaten bereits aus Hartz IV heraus, denn die Gagen bei den Talks waren sehr gut. Das Sozialamt hat mir sofort berechnet, wie lange ich davon zu leben habe. Und dann kam sofort das Theaterstück und alles Weitere ging direkt ineinander über.

Ich kann somit einem normalen Menschen, in Anführungsstrichen, überhaupt keinen Tipp geben, denn das war bei mir ein Ausnahmefall. Denn ein normaler Mensch wird nicht aufgefangen und kriegt auch keine guten Gagen in Talks.

Natürlich muss man stark sein und Kraft haben und Freunde haben. Viele meiner Freunde wussten ja gar nicht, was mit mir los war. Meine Freunde wohnen ja nun alle nicht bei mir oder in meiner näheren Umgebung.

Sie wussten schon, irgendwas funktioniert nicht mehr so. Es ging ja, wie gesagt, über Jahre. Die Depression hat sich tatsächlich über Jahre erstreckt.

Michaela Boland:

Wie geht es ihnen heute in Bezug auf ihre Depression? Ist sie überstanden?

Ingrid Steeger:

Ich gehe mal davon aus, dass die Depression schon länger vorüber ist, sonst würde ich gar nicht auf der Bühne stehen.

Michaela Boland:

Die Gefahr eines Rückfalls ist bei Depressionen nicht immer auszuschließen.

Ingrid Steeger:

Ich war auch mit Depressiven zusammen und habe das sehr studiert. Es gibt so viele verschiedene Arten von Depressionen. Depression ist nicht gleich Depression. Klar kann man von heute auf morgen wieder in eine Depression verfallen, wenn irgendetwas passiert.

Es gibt auch eine akute Depression. Jeder Mensch hat mal eine akute Depression gehabt, fällt da kurz rein und ist dann wieder da. Die schlimmste ist die endogene, also die vererbte Depression, die dann sporadisch in Abständen immer wieder kommt.

Michaela Boland:

Aber jetzt geht es ihnen gut?

Ingrid Steeger:

Mir geht es sehr gut.

Michaela Boland:

Das ist schön. Interessieren sie sich eigentlich auch für bildende Kunst?

Ingrid Steeger:

Meine ganze Wohnung ist vollgepflastert mit Bildern von guten Künstlern.

Michaela Boland:

Bevorzugen sie da eine bestimmte Stilrichtung?

Ingrid Steeger:

Ich bin ein sehr großer Fan der Impressionisten. Van Gogh, Gauguin, Manet, Monet usw.

Michaela Boland:

Vermissen sie als Berlinerin eigentlich manchmal ihre Heimat?

Ingrid Steeger:

Nicht ein bisschen.

Michaela Boland:

Was sagen sie denn zu der Flughafenaffaire rund um den regierenden Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit?

Ingrid Steeger:

Da habe ich mich, ehrlich gesagt, nicht so viel drum gekümmert. Viele Leute denken immer, ich wohne noch in Berlin. Berlin ist für mich ein Kapitel, das schon lange vorbei ist. Dort zieht mich auch nichts mehr hin zurück.

Michaela Boland.

Gibt es für sie eine Lieblingsstadt?

Ingrid Steeger:

Hamburg und Zürich.

Michaela Boland:

In Zürich haben sie auch einmal gelebt?

Ingrid Steeger:

Ja. Und was mir augenblicklich auch gut gefällt, ist Köln. München war für mich immer so eine Anlaufstätte, wenn ich aus Frankreich kam. Jetzt lebe ich fast schon wieder zehn Jahre in München. In Hamburg habe ich ja auch fünf Jahre gewohnt. Jetzt wird es mal Zeit, dass ich wieder umziehe.

Michaela Boland:

Wie stehen sie zu sozialen Netzwerken wie Facebook? Haben sie einen Account dort?

Ingrid Steeger:

Nein, ganz bestimmt nicht. Was soll ich da reinschreiben? Meinen Freunden schreibe ich entweder eine Mail oder wir telefonieren. Und ich will das nicht, dass da jeder Einblick erhält. Das sind ja nicht alles meine Freunde, auch, wenn sie sich so nennen. Ich kenne die doch gar nicht.

Michaela Boland:

Googeln sie sich gelegentlich selbst?

Ingrid Steeger:

Dann müsste ich ja von morgens bis abends beim Anwalt sitzen. Nein, ich habe eine sehr gute Website, die wird unentwegt aktualisiert. Das ist für Berufliches und für Fans und das reicht mir total.

Und wann ich nun morgens einen Kaffee getrunken habe, oder ob ich hingefallen bin, das muss ich den Fans nicht mitteilen. Das sollen mal alles die Jüngeren machen. Oder ich finde das  für Schlagersänger ganz gut, die ihre Platten verkaufen wollen.

Michalea Boland:

Oder, wenn man ein neues Buch promoten möchte?

Ingrid Steeger:

Das kommt alles auf meine Website. Dann sollen sie sich das da angucken, da steht das dann alles drin. Aber, was ich jetzt alles privat tue, wann ich den Hund gehauen habe oder etwas über mich und meine Gefühle, das muss nicht  sein. Die Medien, die kriechen dann sowieso da herum und ziehen sich dann da etwas heraus.

Michaela Boland:

Wird es im Rahmen ihrer geplanten Buchveröffentlichung ".und find es wunderbar" auch Lesungen geben?

Ingrid Steeger:

Bestimmt.

Michaela Boland:

Mit Peer Augustinski haben sie in jüngster Vergangenheit auch verschiedene Lesungen durchgeführt. Wird es da Wiederholungen geben?

Ingrid Steeger:

Ja, das einzige Problem besteht nur darin, dass es immer sehr schwierig ist, wenn ich, wie jetzt, Theater spiele.

Michaela Boland: Ihre Stimme ist nach wie vor sehr wohlklingend und vor allem junggeblieben. Nutzen sie diesen Umstand beispielsweise auch zum Synchronsprechen?

Ingrid Steeger: Wenig, aber Hörspiele mache ich jetzt. Ich habe gerade einen Krimi gemacht. Synchron weniger.

Michaela Boland:

Wenn man sie direkt anblickt, sieht man sie verhältnismäßig häufig charmant lächeln, obgleich sie zwischendurch in unbeobachteten Momenten immer wieder ein wenig ernst  wirken. Wann und über was können sie manchmal so richtig herzhaft lachen?

Ingrid Steeger:

Weiß ich nicht. Vielleicht über Blödsinn. Über Eliza Doolittle muss ich manchmal herzhaft lachen.

Michaela Boland: Wie kam es zu der Namensgebung?

Ingrid Steeger:

Ich habe die Eliza Doolittle gespielt. Ich spielte Pygmalion. Diese Rolle habe ich auch sehr gerne gespielt.

Michaela Boland:

Gibt es eine Rolle, die sie heute besonders gerne noch einmal spielen würden?

Ingrid Steeger:

Eliza Doolittle, doch leider bin ich dafür zu alt. Es ist ja ein Mädchen aus der Gosse, die zur Dame erzogen wird. Das geht nur, wenn man jünger ist.

Michaela Boland:

Liebe Frau Steeger, vielen Dank für dieses Interview und alles erdenklich Gute weiterhin für ihre Zukunft.

Infos unter:

www.ingridsteeger.de

de.wikipedia.org/wiki/Ingrid_Steeger

www.sueddeutsche.de/geld/reden-wir-ueber-geld-ingrid-steeger-ich-habe-um-euro-gebettelt-1.1031386

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.

Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino

Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg. Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.

Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle großen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.

Seit Mitte 2009 ist sie verantwortlich für die Ressorts:

Exklusivinterview und

Porträt des Monats

© Michaela Boland und Gesellschaft Freunde der Künste