01.09.2012 hr-Journal / Gesellschaft - Zu Hause bei den „Von“ und „Zus“

Daniella Baumeister befragt den Society-Experten Holger Weinert - Würde es Ihnen Spaß machen, selbst ein „Von und Zu“ zu sein?

von: Daniella Baumeister

„Hessische Hoheiten“: In neuen Adelsporträts kommt Holger Weinert den Blaublütigen ganz nah. Sie öffnen ihm ihre Burgen und Schlösser und gewähren ihm Einblicke in ihr Leben. Dabei begegnet dem Society-Experten so Überraschendes wie ein Freiherr im Schlamm, Motten im Brokatsofa und eine leibhaftige Königin als Überraschungsgast.

Daniella Baumeister - Herr Weinert, was kann man erleben, wenn man bei einem hessischen Schloss oder einer hessischen Burg ans Tor klopft?


Holger Weinert: Ich war mal bei der Hochzeit einer Nichte des Landgrafen von Hessen, dessen Adelshaus zu den drei bedeutendsten in Deutschland zählt. Die sind verwandt mit dem englischen Königshaus und mit dem spanischen. Auf einmal ging die Autotür des landgräflichen Gefährts auf - und die Königin Sofía von Spanien stand vor mir. Ich war sprachlos. Aber als wir uns dann das dritte Mal zufällig getroffen haben, war‘s schon fast normal … (lacht)

Die Hoheiten sind also nicht schwierig, unnahbar oder vornehm distanziert?


Nein, die sind alle ganz normal. Mit einigen bin ich tatsächlich inzwischen befreundet. Mit Karl Graf zu Solms-Laubach zum Beispiel duze ich mich. Sie haben in der Regel alle eine ganz besondere Bildung und Eleganz. Je unabhängiger ein Aristokrat ist, desto freier und offener ist er im Gespräch. Und es gibt diesen ganz speziellen aristokratischen Humor, der ist toll.

Und wie sprechen Sie die Adligen an, wenn Sie sich nicht duzen?


Herr, Freiherr, Graf, Fürst oder Prinz. Durchlaucht sage ich nie, königliche Hoheit auch nicht. Das ist passé. Allerdings habe ich jetzt beim Dreh für „Höchstpersönlich“ im Ersten mit Gloria von Thurn und Taxis erlebt, dass alle sie „bei Hofe“ alle nur mit Durchlaucht ansprachen.

 

Wie fühlen Sie sich mitten unter den Reichen und Schönen, mitten in der „Society“?


Protz und Schickimicki kenne ich in Hessen überhaupt nicht. Der hessische Adel ist ein ordentlich verwurzelter Landadel: Der älteste Sohn ist Erbe und hat die Pflicht, das Schloss oder die Burg für die Familie zu erhalten. Das Geld dafür einzutreiben durch Konzerte, Tage der offenen Tür oder anderes ist an sich schon ein Beruf. Wenn dies nicht reicht, arbeiten die meisten Hoheiten noch etwas Bürgerliches.

Opernsänger werden zu wollen, wie mein Freund Karl sich das wünschte, das ging in den Kreisen natürlich nicht. Ich bin von diesen Menschen beeindruckt und auch vom Überfluss an schönen Dingen. Was in Hessen an prunkvollen Behausungen so rumsteht, da kannst du nur staunen! Man sieht es auch gern, es ist eine optische Bereicherung. Wenn in einer hessischen Kleinstadt ein Schloss oder eine Burg steht, ist auch die ganze übrige Bausubstanz besser, das färbt ab.

Natürlich wollten die Patrizier früher auch, dass es bei ihnen etwas schlossig aussah. Die adlige Wohnkultur wurde vom Bürgertum kopiert, das sieht man zum Beispiel in den Altbauwohnungen der hessischen Großstädte - die hohen Decken, der Stuck, die Flügeltüren, die durchgehenden Zimmer, das ist Schlossarchitektur. Für mich als Journalist ist ganz wichtig: Das Feedback aus den Adelskreisen auf meine Porträts ist gut, alle fühlen sich verstanden. Und ich finde es toll, was man da erlebt.

Und wenn‘s mal nicht so toll aussieht?


Na ja, ein paar wollen nicht porträtiert werden, sie haben Angst, dass sie mit Ihresgleichen nicht mithalten können. Und bei einer Lesung, die wir mal gefilmt haben, kam uns aus dem Sofa ein Schwarm Motten entgegen. Für fünf Minuten war der ganze Raum voller Motten! Leider hatten wir die Kamera nicht an ... aber ich bin mir ohnehin nicht sicher, ob ich die Bilder tatsächlich verwendet hätte, denn das war schon ein Sinnbild für Verfall.

Am 16. Oktober starten vier neue Folgen von „Hessische Hoheiten“ über Freiherr von Dörnberg und die Burg Herzberg - da haben Sie auch während des legendären Herzberg-Festivals, einem ausgewiesenen Hippiefestival, gedreht. Macht der Freiherr so was mit?


Der geht da hin! Die ganze Familie. Der Freiherr war die ganze Zeit auf dem schlammigen Acker unterwegs. Für eine Adelsserie ist das etwas ganz Besonderes, wie er mit mir durch den Schlamm watet und wir Spaß dabei haben.

Würde es Ihnen Spaß machen, selbst ein „Von und Zu“ zu sein?


Inzwischen habe ich die ersten Angebote, adoptiert oder geheiratet zu werden. Ich sage dann immer aus Quatsch: Unter Prinz mache ich es nicht! (schmunzelt) Freiherr wäre ich so schon längst geworden. Ich hätte nichts dagegen, wenn es sich durch eine Eheschließung ergeben hätte. Und wenn man geschieden wird, führt man den Titel weiter, so was gibt man nicht wieder her. Das täte ich auch nicht. [Interview: Daniella Baumeister]

Hessische Hoheiten", vier neue Folgen, hr-fernsehen, Di, 21 Uhr: Freiherr von Dörnberg zu Herzberg und die Burg Herzberg (16 Okt.), Baron zu Knyphausen und sein Weingut im Rheingau (23. Okt.), Hubertus und Sabine von Savigny in Freigericht (30. Okt), Philipp Baron Wambolt von Umstadt im Odenwald (6. Nov.)

Höchstpersönlich: Gloria von Thurn und Taxis“, das Erste, Sa, 8. Sept., 15 Uhr

hr-Journal / Gesellschaft